Die Laborküche: So oft wird ein Küchenschrank geöffnet

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Tür auf, Tür zu, tagein, tagaus. Wenn die Deutschen aufkochen, werden alle Hebel in Bewegung gesetzt – oder besser gesagt, alle Möbel: Die Besteckschublade wird rund zehn Mal am Tag geöffnet, die Schranktür zum Hausmüll sogar über 30 Mal. Insgesamt werden alle Schubkästen, Schranktüren und Klappen einer Küche mehr als 80 Mal pro Tag geöffnet und wieder geschlossen. Möglich machen das Scharniere und Auszugssysteme, die in einer Laborküche unter härtesten Bedingungen geprüft werden.

Vollauszug, Drucktüröffner, Schwebelauf: Viele Systeme erleichtern die Küchenhandhabung

Eine Laborküche gibt es zum Beispiel in der Beschlägefabrik Blum. Die im österreichischen Vorarlberg ansässige Firma zählt zu den internationalen Marktführern der Möbelbeschlagsbranche und produziert pro Woche über 1.000 Tonnen Elemente aus Zink, Stahl und Kunststoff, die für den reibungslosen Ablauf in Küchen weltweit sorgen.

Weil die Küche in Design und Funktion in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt wurde, haben auch die Ingenieure von Auszugssystemen gut zu tun: Schneller und reibungslos soll der Ablauf für den Menschen sein, der unzählige Schranktüren öffnen und Werkzeug griffbereit haben will. Dazu wurde der Vollauszug bei Schubkästen entwickelt, der synchronisierte Schwebelauf, der Drucktüröffner („push to open“) oder sogar elektrische Öffnungsunterstützer.

Vollauszüge und elektrische Öffnungsunterstützer: Scharniere und Auszugssysteme sorgen für die Funktionalität moderner Küchen. (Foto: Blum)
Vollauszüge und elektrische Öffnungsunterstützer: Scharniere und Auszugssysteme sorgen für die Funktionalität moderner Küchen. (Foto: Blum)

„Eine Küche muss vor allem praktisch sein“

Andreas Lubetz, der für Marketing und Kommunikation bei Blum in Vorarlberg zuständig ist, erklärt die Wichtigkeit der unscheinbaren Scharniere und Türbeschläge: Eine Küche sollte schließlich nicht nur schön, sondern vor allem praktisch sein – das sei ihre wahre Schönheit. Aus diesem Grund schaffen es bei Blum auch nur bedürfnisorientiert ausgearbeitete Produkte in die Herstellung, die zuvor in Endkonsumenten-Workshops oder sogar durch Küchenbeobachtungen per Video in Privathaushalten getestet wurden.

Doch bevor es soweit kommt, muss jedes Produkt zunächst die hauseigene Laborküche durchlaufen. Bei Blum blickt man nämlich nicht nur auf die Einzelteile, sondern auf die Küche als großes Ganzes. Sie muss als Organismus auch im Alltag funktionieren – und da werden gute Erfindungen dann gleich mal herausgefordert, wenn die Physik sich nicht so verhält, wie man will.

Eine Küche wird erst dann schön, wenn sie auch funktional ist: Hierfür werden in einem Test Personen in der Laborküche beim Zubereiten von Mahlzeiten gefilmt, um daraus Erkenntnisse für die Forschung zu erhalten. (Foto: Blum)
Eine Küche wird erst dann schön, wenn sie auch funktional ist: Hierfür werden in einem Test Personen in der Laborküche beim Zubereiten von Mahlzeiten gefilmt, um daraus Erkenntnisse für die Forschung zu erhalten. (Foto: Blum)

Von Erdbeben und Baguette-Schränken: Herausforderungen für die Küche

Grifflose Schubladen beispielsweise lassen sich durch sanften Druck öffnen – benötigen aber auch einen Anlehnschutz, damit beim Dagegenlehnen nicht ständig die Tür aufspringt. Außerdem soll durch einen zusätzlichen Schutz vermieden werden, dass Haustiere wie z.B. Hunde mit der Pfote oder der Schnauze Türen zu Futter oder Müll öffnen können.

International werden sogar geographische und kulturelle Phänomene in die Planung der Scharniere einbezogen: So brauchen Küchen mit der elektrischen Öffnungsunterstützung Servo-Drive in erdbebengefährdeten Ländern wie Japan einen extra Erdbebenschutz, um ungewollte Auslösungen zu vermeiden. In Frankreich haben viele Küchen einen eigenen Baguette-Auszug und in asiatischen Ländern müssen Arbeitsplatten aufgrund der Körpergröße viel niedriger eingebaut werden – beides führt zu deutlich weniger Stauraum in den darunter platzierten Schubladen.

Mithilfe von Auszugssystemen können nicht nur Schubladen leichter bedient werden. Sie sind auch nützlich in einem Mehrpersonenhalt mit Größenunterschieden oder Kindern. (Foto: Blum)

Tip-On-Blumotion: Wie von Zauberhand öffnen und schließen

Das sogenannte „Tip-On-Blumotion“-System von Blum ist besonders fortschrittlich: Einbaukühlschränke in grifflosen Küchen können so per Antippen geöffnet werden – und schließen sich wie von Zauberhand zwei Sekunden später wieder von selbst. Das spart Strom, schont die Umwelt und erleichtert den Bewegungsablauf in der Küche.

Für die Ingenieure war es allerdings eine große Herausforderung, sicherzustellen, dass auch eine falsche Handhabung dem Beschlag nicht schadet. Die komplett mechanische Bewegung soll voll funktionsfähig bleiben, auch wenn das Schließen aus Versehen manuell erfolgt oder statt eines Antippens an der Schranktür gezogen wird.

Bis zu 200.000 Mal werden die Schranksysteme und Scharniere von Blum in der Laborküche auf ihre Widerstandsfähigkeit getestet. Das liegt weit über der Norm. (Foto: Blum)
Bis zu 200.000 Mal werden die Schranksysteme und Scharniere von Blum in der Laborküche auf ihre Widerstandsfähigkeit getestet. Das liegt weit über der Norm. (Foto: Blum)

200.000 Mal Türöffnen in der Laborküche

Um Beschläge, Scharniere und Auszüge ein „Möbelleben lang“ voll funktionsfähig zu halten, öffnen Roboter sie in der Laborküche über 200.000 Mal. Das liegt weit über dem geforderten Standard und unterstreicht die Marktführerposition Blums.

Im Anschluss werden alle Produkte noch einmal mit dem „Age Explorer“-Anzug getestet: Dieser simuliert unterschiedliche Bewegungseinschränkungen für ältere Menschen, Menschen mit Beeinträchtigung oder Küchennutzer mit unterschiedlichen Körpergrößen. So kann gewährleistet werden, dass die Auszugssysteme wirklich zur Unterstützung beitragen und auch ohne fremde Hilfe bedient werden können.

Die Laborküche für Scharniere und Auszugssysteme ist so interessant wie nützlich. Lubetz vergleicht es mit dem Hausbau: Die Küchenplanung funktioniere so, wie man ein Gebäude von innen nach außen entwerfe. Bei einer guten Küche komme es eben zuerst auf die inneren Werte an.

Mit dem "Age Explorer"-Anzug testen Mitarbeiter jede Bewegung in der Küche auf ihre Bequemlichkeit im hohen Alter oder bei Beeinträchtigungen. Das Produkt soll den Menschen hierbei aktiv unterstützen. (Foto: Blum)
Mit dem „Age Explorer“-Anzug testen Mitarbeiter jede Bewegung in der Küche auf ihre Bequemlichkeit im hohen Alter oder bei Beeinträchtigungen. Das Produkt soll den Menschen hierbei aktiv unterstützen. (Foto: Blum)
Susanne Maerzke
Susanne Maerzke
Kochen ist Lebensfreude, Zeit mit Freunden, Belohnung, Versöhnung, Hobby und Genuss. Auch unsere Redakteurin sieht die Küche als das Herzstück der Wohnung – schließlich endet jede gute Party zurecht in der Küche neben den letzten Käsehäppchen und einem Glas Wein. Es lohnt sich also definitiv, sein Augenmerk auf die Ausstattung der Küche zu richten und mal bei den neuesten Trends, Geräten und Designern nachzuhaken: auch als Gesprächsgrundlage für die nächste Feier.

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