Was macht ein Landhaussofa aus? Was genau ist ein Nierentisch? Und wo liegt der Unterschied zwischen Japandi, Skandi und Minimalismus? Die wichtigsten Einrichtungsstile zu erkennen und zu verstehen, ist der erste Schritt bei jedem Interior-Projekt. Ganz gleich, ob Sie umziehen oder renovieren, ob Sie einen Raum oder ein Haus gestalten möchten: Wissen ist Macht. Dabei geht es aber nicht darum, besonders viele Fakten zu kennen – sondern vielmehr darum, ein Gespür für die verschiedenen Wohnstile zu bekommen.
Denn dieses Know-How kann helfen, den individuellen Designstil zu definieren und mehr von dem zu finden, was persönlich gefällt. Oder es schenkt den Mut, Stile miteinander zu kombinieren – und all die Regeln und Etiketten in den Wind zu schlagen. Dazu sollte man sie allerdings vorher kennen:
Alle Einrichtungsstile auf einen Blick – bei Bedarf direkt vorspringen:
- Skandi, Hygge, Lagom
- Boho Stil
- Landhausstil & Farmhouse-Look
- Bauhaus
- Modern Mid Century
- Japandi
- Industrial Style
- Art déco
- (Soft) Minimalismus
- Eklektizismus
Schlicht und ergreifend: Skandi, Hygge, Lagom
Beim Wohnen und Einrichten sind die Skandinavier immer auf der Suche nach der goldenen Mitte. Sich nur auf das Wesentliche zu reduzieren, wäre zu radikal. Schließlich wirken leere Räume schnell kalt und ungemütlich. In chaotisch eingeräumten und überfüllten Zimmern wiederum fällt es schwer, abzuschalten und zur Ruhe zu kommen. Beim schwedischen Einrichtungsstil wird deshalb gerne dekoriert – aber mit Dingen, die auch eine Funktion haben. So wird eine geriffelte Glasvase zur Besonderheit, eine organisch geformte Obstschale zum Highlight und ein dezent gemustertes Kissen zum Blickfang.
Das genaue Ausloten von Minimalismus und Behaglichkeit ist in Schweden nicht nur oberste Priorität, sondern eine Philosophie: Sie heißt „Lagom“ und bedeutet übersetzt „nicht zu wenig und nicht zu viel.“ Es geht also um ein bewusstes und nachhaltiges Leben, das uns mit innerer Zufriedenheit belohnt. In Dänemark hingegen dreht sich alles um „Hygge“, also darum, die Wohnung besonders wohnlich und behaglich zu gestalten.
Ob Hygge oder Lagom: Bei beiden Stilen spielt die richtige Beleuchtung eine entscheidende Rolle, denn vor allem indirektes Licht oder Kerzenschein schaffen eine behagliche Atmosphäre. Helle Farben bei Textilien und Möbeln reflektieren das Licht und strahlen zusätzlich Ruhe aus. Materialien aus der Natur – zum Beispiel Baumwolle, Leder, Leinen und helle Hölzer wie Esche und Birke – runden den unaufgeregten Einrichtungsstil ab.
Für Freigeister: Boho als Einrichtungsstil
Der Ursprung dieses Einrichtungsstils liegt in der Bohème-Bewegung des 19. Jahrhunderts. Künstler – ob Maler, Schriftsteller oder Musiker, propagierten mit ihrem ungezwungenen Lebensstil eine deutliche Abkehr vom spießigen Bürgertum. Dies spiegelte sich auch in Kleidung und Einrichtung wider.
Die moderne Interpretation ist geprägt von einem Gefühl der Freiheit, Kreativität und Lebensfreude – mit einem Hauch von Natürlichkeit. Daher kommen vor allem Materialien wie Rattan, Holz, Leder, Sisal und Leinen zum Einsatz. Passend dazu dominieren Farben wie Beige, Braun, Terrakotta und Ocker. Dazu gesellen sich oftmals Ethno-, Folklore, Patchwork- oder auch Batikmuster – gerne auch in Kombination.
Der Boho-Einrichtungsstil will vor allem eines: zwanglose Gemütlichkeit ausstrahlen. Das gelingt schnell und einfach mit bequemen Kissen-Arrangements, kuscheligen Decken, Traumfängern aus Makramee oder raffinierten Wandteppichen. Wer etwas Grün ins Ambiente zaubern möchte, sollte auf große Zimmerpflanzen setzen.
Gemütlicher Farmhouse-Look: Landhausstil
Der Landhausstil ist eine Hommage an das ländliche Leben, geprägt von Geborgenheit, einem Hauch von Nostalgie und der Sehnsucht nach Natur. Tatsächlich entwickelte sich dieser Einrichtungsstil im 18. Jahrhundert, als die englische Oberschicht begann, Sommerresidenzen auf dem Land zu errichten. Diese waren komfortabel und modern, zugleich aber auch einfach und gemütlich.
Dass wir uns auch aktuell wieder nach eben dieser Kombination sehnen, beweist der Hashtag #cottagecore in den sozialen Medien, welcher so viel bedeutet wie „Landhaus extrem“. Dabei geht es – ebenso wie früher – um die optische Verschmelzung von Innen und Außen.
Möglich wird dies durch eine helle Farbpalette und natürliche Materialien, wie Holz, Leinen, Baumwolle und Rattan. Aber auch die Accessoires dürfen gerade bei diesem Einrichtungsstil nicht vernachlässigt werden, denn erst sie machen den Look komplett. Klassische Elemente sind zum Beispiel Blumen, welche aussehen wie frisch gepflückt, in Keramikvasen oder Krügen. Oder geblümte sowie dezent karierte Textilien und rustikale Aufbewahrungskörbe. Bänke, Kerzenständer oder Dekoschalen aus Holz runden das Interior ab.
Künstlerische Reduktion: Bauhaus
Form follows function: Den Ursprung hat der Bauhaus-Stil in der von Walter Gropius gegründeten Schule für Kunst, Architektur und Handwerk. Gelehrt wurde hier hauptsächlich, wie man preiswerte, aber dennoch hochwertige Möbel für die Arbeiterschicht herstellt. Die Idee, dass ein Objekt zugleich ästhetisch, funktional und für jedermann erschwinglich sein sollte, prägte das Industrie-, Bau- und Wohndesign des 20. Jahrhunderts maßgeblich.
Um die einzelnen Elemente industriell fertigen zu können, verzichteten die Bauhaus-Designer auf jegliche Verzierung und konzentrierten sich auf standardisierte Objekt. Dennoch sind Bauhaus-Möbel alles andere als langweilig. Um den Einzelstücken das gewisse Etwas zu verleihen, wurde mit Materialien experimentiert, so dass sie eine aufregende Form annahmen – ohne jedoch ihre Funktion aus den Augen zu verlieren. Beispielsweise wurde Stahlrohr (z.B. bei Thonet) oder Kunststoff (z.B. bei Vitra) so lange gebogen, bis bei Freischwingern auf ganze Stuhlbeine verzichtet werden konnte. Oder es wurden konträre Materialien raffiniert kombiniert, wie vernickeltes Metall und transparentes Glas bei Wagenfelds berühmter Tischleuchte.
Die Farbgestaltung für eine moderne Bauhaus-Einrichtung muss sich nicht auf Schwarz, Weiß und Grau beschränken. Ebenfalls erlaubt sind die Primärfarben Rot, Gelb und Blau, solange sie als Akzente eingesetzt werden.
Dezent prächtiger Einrichungsstil: Modern Mid Century
Das goldene Zeitalter des Mid Century-Stils ist geprägt von Wiederaufbau, Aufschwung und bahnbrechenden Erfindungen. Die Bewegung, die etwa von 1933 bis 1965 dauerte, brachte unzählige Designklassiker hervor, die sich auch heute noch größter Beliebtheit erfreuen: Zum Beispiel der „Lounge Chair“ von Charles und Ray Eames, der „Egg Chair“ von Arne Jacobsen oder „Tulip“ von Eero Saarinen.
Rohstoffknappheit und neuer Wohlstand nach dem Zweiten Weltkrieg, die Abwanderung in die Städte und die Entwicklung von Kunststoff zum Kult-Material führten zu revolutionären Designs mit schlanken Profilen, schmalen Möbelfüßen und organisch fließenden Formen.
Beim Mid Century-Stil – auch Mid Century Modern (kurz MCM) genannt – wird konsequent auf Ornamente und Schnörkel verzichtet, stattdessen orientiert man sich am Bauhausleitsatz „Form follows function“. Ein Klassiker ist etwa der „Nierentisch“: ein asymmetrisch geformter Tisch mit drei schräg gestellten, schmalen Tischbeinen. Typisch für diesen Einrichtungsstil ist auch die Verwendung hochwertiger Naturmaterialien, wie Holz und Leder, sowie Experimente mit geformtem Kunststoff. Auch die Kombination mit texturierten Stoffen, wie Samt, Cord und Bouclé in Edelsteinfarben, ist bezeichnend für diesen Stil und lassen den Gesamtlook im Nu glamourös und elegant erscheinen.
Japan meets Skandi: Japandi als Einrichtungsstil
Der angesagte Einrichtungsstil „Japandi“ ist noch jung, seine Wurzeln jedoch uralt, denn hier verschmilzt der gemütliche skandinavische Hygge-Wohnstil mit der reduzierten Wabi-Sabi-Ästhetik Japans. Das Ergebnis ist eine Fusion, die beruhigende Behaglichkeit und zeitlose Eleganz verspricht und eine entspannte Atmosphäre schafft.
Im Mittelpunkt steht die Konzentration auf das Wesentliche. Das heißt: Statt zahlreicher Möbelstücke, viel Krimskrams und Accessoires bekommen hier wenige Highlights Raum zur Entfaltung. Diese sind bevorzugt in klaren und einfachen Formen gehalten. Glas oder transparente Materialien lassen die Räume zusätzlich offen und hell wirken. (Semi-)Transparente Raumteiler oder Schiebetüren schaffen Wohnzonen und fungieren zugleich als Stilelement.
Damit die Räume nicht zu kühl wirken, kann die puristische Formsprache durch sanfte, organische Formen aufgelockert werden – etwa durch eine schön geschwungene Leuchte aus Papier. Statt mit knalligen Farben spielt der Einrichtungsstil Japandi gerne mit verschiedenen Hölzern: Helle Holzmöbel skandinavischer Hersteller und dunkle Holzaccessoires im japanischen Stil halten sich die Waage.
Tipp: Wer Zuhause bislang auf einen eher skandinavischen Einrichtungsstil gesetzt hat, kann mit wenigen Elementen etwas Japan-Feeling einziehen lassen: Etwa mit einer traditionellen Teekanne, einer Tischleuchte mit Plissee-Schirm oder einem tiefen, geradlinigen Couchtisch.
Einrichtungsstil mit coolem Loft-Ambiente: Industrial Style
Früher Fabrik, heute Loft: In den 1950er Jahren begannen Künstler und Designer, stillgelegte Fabrikhallen als Ateliers und Wohnräume zu nutzen. Nach und nach zogen dann Backsteinwände, freiliegende Rohre und offene Grundrisse auch alle anderen in den Bann. Die Faszination des Industrial Stils ist bis heute ungebrochen, wenngleich nicht immer eine alte Fabrik der Ausgangspunkt sein muss.
Mit den richtigen Elementen kann dieser Einrichtungsstil auch in Neubauten einziehen. So lassen sich unverputzte Wände mit den richtigen Tapeten realistisch imitieren. Bei den Möbel stehen unbehandeltes Holz, Metall und Beton im Vordergrund. Sofas und Sessel aus cognacfarbenem Leder sorgen für die nötige Prise Gemütlichkeit. Uhren und Leuchten aus schwarzem Metall machen den Industrial Stil vollkommen. Tipp: Als Ausgleich zu den kühlen Wänden eignen sich hervorragend große Teppiche im Vintage-Look.
Das Wichtigste bei diesem Wohnstil: Nichts sollte zu gewollt oder perfekt wirken, ganz im Gegenteil. Patina, abblätternde Farbe und sichtbare Schrauben machen diesen Einrichtungsstil erst authentisch.
Einrichtungsstil wie der große Gatsby: Art déco
Mit dem Art déco-Einrichtungsstil hält Glamour Einzug in die eigenen vier Wände. Art déco ist die Abkürzung für „Arts Décoratifs“, also dekorative Künste. Der Stil fällt in die Zeit der Goldenen Zwanziger. In diesen Jahren sehnten sich die Menschen nach der Leichtigkeit und Schönheit des Lebens, wollten die Strapazen und Entbehrungen des Zweiten Weltkriegs vergessen. In der Einrichtung drückte sich dies vor allem durch geometrische Linien, satte Juwelenfarben, goldenen Details und zahlreichen Verzierungen aus.
Die Materialien der Art-Déco-Einrichtung sind edel und hochwertig: Textilien aus Samt und Seide, Beistelltische und Sideboards aus Ebenholz und Gläser und Vasen aus Kristallglas schaffen ein elegantes Ambiente.
Kräftige Farben wie Mitternachtsblau oder Tannengrün betonen die Schwere und Eleganz der Materialien. Hellere Töne wie Altrosa oder Mintgrün wirken dagegen moderner und etwas leichter. Abgerundet wird der Einrichtungsstil durch goldene Verzierungen und Ornamente, zum Beispiel auf Möbeln, Tapeten, Teppichen oder Vorhängen.
Weniger ist mehr: (Soft) Minimalismus
Kühl, unpersönlich, steril: Die Vorurteile gegenüber dem minimalistischen Einrichtungsstil halten sich hartnäckig. Dabei gilt dieser Wohnstil seit Jahren als einer der beliebtesten. Richtig umgesetzt, wirkt er nämlich keineswegs kalt – sondern modern und maximal wohnlich.
Die wichtigste Regel des Minimalismus: Bitte kein Schnickschnack. Alle Räume sollen Ruhe ausstrahlen und aufgeräumt wirken. Die wenigen Möbelstücke und Accessoires, die das Zuhause schmücken dürfen, sind wohlüberlegt, von hoher Qualität und oft zeitlos im Design. Die Grundfarben dieses Interiorstils sind vor allem Weiß und Schwarz, dazu gesellt sich eine kleine Prise helles Holz. Polstermöbel dürfen gerne sanfte Rundungen haben – als Kontrast zu der vorherrschenden Klarheit.
Der noch recht junge Interiortrend „Soft Minimalism“ bricht die strengen Vorgaben etwas auf und erlaubt neben Weiß- und Schwarztönen auch zarte Beige-, Grau und Pastellnuancen, beipsielsweise Salbei, Blush oder Apricot. Damit nähert er sich etwas dem skandinavischen Einrichtungsstil an.
Ob weicher oder harter Minimalismus: Im Mittelpunkt beider Strömungen steht die achtsame Gestaltung der Wohnung. Damit einher geht meist ein bewusster, entschleunigter Lebensstil. Daher wird der Einrichtungsstil auch gerne als Slow oder Mindful Living bezeichnet.
Chaos mit Köpfchen: Eklektizismus
Hinter diesem Zungenbrecher verbirgt sich der wohl lauteste Einrichtungsstil in dieser Aufzählung, denn Eklektizismus steht für einen bunten, kreativen und sehr individuellen Mix mit dem Credo: „Mehr ist mehr.“ Unterschiedliche Stoffe, Materialien, Farben, Muster und Formen treffen hier aufeinander und erzählen Geschichten. Statt Akzente zu setzen, soll ein kontrastreiches Gesamtbild entstehen, das sich aus der Verbindung der verschiedenen Einzelstücke ergibt.
Eklektizismus soll vor allem eines: Spaß machen. Und doch braucht es ein wenig Mut, Expertise und ein gutes Auge, um den Einrichtungsstil harmonisch zu gestalten. Der erste Schritt ist mit dem Lesen dieses Artikels bereits getan: Denn bevor man sich dem Eklektizismus hingibt, sollte man sich einen groben Überblick über die verschiedenen Wohnstile verschaffen. Erst dann kann der Stilpluralismus gekonnt umgesetzt werden.
Ob man nun Hygge mit Art déco oder Boho mit Midcentury mischen möchte: Am besten beginnt man mit der Auswahl der auffälligsten und exklusivsten Möbelstücke und tastet sich langsam vor. So gesellt sich zu einer floralen Tapete vielleicht eine Stehleuchte mit knalligem Schirm. Oder zu einem Multicolor-Sessel ein Teppich in Vintage-Optik. Nach und nach lassen sich immer mehr Accessoires dazu kombinieren.