Beton in der Küche: Vom Brutalismus zum Industrial Style

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Beton in der Küche wird immer beliebter: Nach eggersmann, LEICHT und zeyko hat nun auch Häcker-Küchen sein Sortiment um eine Spachtelbeton-graphit-Front ergänzt. Doch wie konnte Beton nach dem hässlichen Brutalismus der 70er Jahre nochmals so berühmt werden? Und: Wie gut eignet sich Beton für die Küche?

"Brutalismus" wurde der 70er-Jahre Baustil genannt, in dem mit Vorliebe überdimensionale Betonbauten aufgestellt wurden. Von Materialschönheit war Beton da noch weit entfernt. (Foto: Jeffrey Glos)
„Brutalismus“ wurde der 70er-Jahre Baustil genannt, in dem mit Vorliebe überdimensionale Betonbauten aufgestellt wurden. Von Materialschönheit war Beton da noch weit entfernt. (Foto: Jeffrey Glos)

In den 70er Jahren pflasterte Beton die deutschen Städte, so weit das Auge reichte: Schulen, Firmengelände, Universitäten, Krankenhäuser und nicht zuletzt Mehrparteienhäuser wurden mit dem grobschlächtigen, grauen Material hochgezogen; klobige Balkone und mausgraue Parkplätze rundeten das Bild eines Architekturstils ab, den man „Brutalismus“ nennt und der heute noch verantwortlich für monströse, an Hässlichkeit kaum zu überbietende Gebäude ist.

Der Brutalismus leitet sich vom französischen Wort für rohen, unverkleideten Beton ab – béton brut – und steht wortwörtlich für eine herbe, brutale Form der Bebauung im öffentlichen Raum, die den Fokus mehr auf Funktionalität und weniger auf Ästhetik legt.

Wie konnte Beton in der Küche dann jemals so beliebt werden?

Vom Brutalismus zum Industrial Style: Beton in der Küche wird Trend

Aktuell ist Beton ein enorm beliebtes Stilmittel für hochwertige Küchen. Es vermittelt den unverfälschten Stil des Industrialismus - aber fügt einen Hauch Wärme durch Altholz und warme Farben hinzu. (Foto: Dross&Schaffer München West)
Aktuell ist Beton ein enorm beliebtes Stilmittel für hochwertige Küchen. Es vermittelt den unverfälschten Stil des Industrialismus – aber fügt einen Hauch Wärme durch Altholz und warme Farben hinzu. (Foto: Dross&Schaffer München West)

Ende der 2000er wurde Beton als Werkstoff wiederentdeckt, aber dieses Mal im Zuge eines neuen Trends: Der Industrial Style wurde zum Begriff eines angesagten Interior Designs, mit dem sich Großstädter vom als bieder empfundenen klassischen Einrichtungsstil der 90er-Jahre absetzen wollten.

Der nüchterne, kühle Purismus des Industrial Styles geht mit Betonwänden, Betonböden und auch Beton in der Küche einher und hat sich seitdem in allen Schichten als trendbildendes Element durchgesetzt. Beton bedeutet die Freiheit, wirklich jedes Material für den häuslichen Innenausbau zu zähmen – und weniger, als noch in den 70er Jahren, Gebäude durch grobschlächtige Beton-Fassaden nach außen zu instrumentalisieren.

Zudem soll Beton auch immer ein wenig die ursprüngliche Bedeutung der Küche verdeutlichen: Die Küche ist eine Werkstatt, und Beton führt sie als rauer Werkstoff zurück zu ihren Wurzeln, als auf Eisenplatten und spartanisch gemauerten Feuerstellen noch für die ganze Familie gekocht wurde.

Beton wird mit Holz, Metall und Wolle kombiniert

Beim Industrial Style wird Beton in der Küche häufig mit warmen Holztönen, Metall-Accessoires und mildem Licht kombiniert. (Foto: Lang Küchen & Accessoires)
Beim Industrial Style wird Beton in der Küche häufig mit warmen Holztönen, Metall-Accessoires und mildem Licht kombiniert. (Foto: Lang Küchen & Accessoires)

Das Archaische des Betons wird im Industrial Style abgemildert und urbanisiert, in dem es in eine puristisch-ästhetische Wohnlandschaft gesetzt wird. Während raue, kaltschnäuzige Materialien wie eben Beton, Metall oder Stein den Rahmen einer Betonküche stellen, wird die Außenansicht ergänzt mit warmen und weichen Accessoires voller Gemütlichkeit, beispielsweise Holz und Wolle. Beton in der Küche steht für einen modernen und minimalistischen Lebensstil, der dank seiner Patina über die Jahre eine ganz eigene Geschichte erzählt.

Mit Beton in der Küche kann eine ganz besondere Atmosphäre zwischen rustikalem Ambiente und eleganter Ausstattung erzeugt werden. Um nicht nur optisch, sondern auch hygienisch einen langanhaltenden Mehrwert in der Küche zu schaffen, wird für Küchen selbstverständlich nicht der Beton vom Bau verwendet, sondern eine spezielle Mischung namens Leicht-Beton.

Beton als Furnier oder Dekor

Beton kann als hauchdünne Spachtelmasse auf solide MDF-Platten aufgetragen oder aber mit einem günstigen Dekor täuschend echt imitiert werden. (Foto: eggersmann)
Beton kann als hauchdünne Spachtelmasse auf solide MDF-Platten aufgetragen oder aber mit einem günstigen Dekor täuschend echt imitiert werden. (Foto: eggersmann)

Neue industrielle Betonrezepturen aus gemahlenem Zement und Zusatzstoffen haben zu einem Material geführt, das sich „flüssig wie Honig“ hauchdünn auf Platten verstreichen lässt, aber einen enorm hohen Festigkeitsgrad besitzt. So können MDF-Trägerplatten von nur 0,5 bis 1 Millimeter Stärke zunächst lackiert und dann mit einer hauchdünnen Schicht Leicht-Beton versehen werden, der mit einem Schutzlack zusätzlich versiegelt wird. Dieses „Steinfurnier“ ist im Gegensatz zum Holzfurnier gerade erst im Kommen – und eignet sich doch hervorragend zur Gestaltung einer hochwertigen Küche.

Das aufwändige Verfahren ist allerdings preisintensiv. Eine günstigere Alternative, um Beton in der Küche einzusetzen, sind Dekore in Betonoptik, die ebenfalls als Frontenverkleidung, für Arbeitsplatten und Nischen eingesetzt werden können. Mittlerweile ist nicht nur die optische Imitation, sondern auch eine strukturell angepasste Haptik bei Fronten aus Beton möglich. Betondekore bieten den großen Vorteil, echten Beton-Oberflächen täuschend ähnlich zu sehen und doch um einiges pflegeleichter und kostensparender zu sein.

Achtung bei Beton in der Küche: Ein Material, das lebt

Beton "lebt": Das bedeutet, dass das Material dank seiner Offenporigkeit extrem schnell auf äußere Einflüsse reagiert und sich trotz Schutzlack mit den Jahren eine charakteristische eigene Patina zulegt. Das kann sehr individuell und schön sein. (Foto: Häcker)
Beton „lebt“: Das bedeutet, dass das Material dank seiner Offenporigkeit extrem schnell auf äußere Einflüsse reagiert und sich trotz Schutzlack mit den Jahren eine charakteristische eigene Patina zulegt. Das kann sehr individuell und schön sein. (Foto: Häcker)

Wer zu echtem Beton in der Küche greift, um damit Fronten oder Arbeitsplatten auszustatten, sollte sich bewusstmachen, dass Beton lebt: Das Material ist extrem empfänglich für Umwelteinflüsse und nimmt eine stark veränderte, gewölkte Patina im Laufe der Zeit ein. Lebensmittelsäure, z.B. von Zitronen oder Öl, sowie Sonneneinstrahlung, Wasser, Rotweinflecken etc. dringen rasch in die poröse Oberfläche der Betonplatte ein und nehmen Einfluss auf den farblichen Verlauf. Das kann einen würdevollen Charakter annehmen, muss aber auch über einen längeren Zeitraum noch gefallen.

Um Fleckenbildung weitestgehend zu verhindern, sollten hochwertigen Beton-Küchen von Zeit zu Zeit mit einem Schutzwachs versehen werden, der die Beständigkeit der Küche und deren Resistenz gegen Flecken erneuert. Premium-Küchenhersteller tragen bereits dafür Sorge, dass Ihre Betonküchen mit einem zweifachen Strapazierlack vor Verlassen des Lagers gründlich imprägniert und versiegelt werden.

Durch diese Schutzlacke wird auch der schmutzanfällige Beton in der Küche flecken- und wasserabweisend. Dennoch ist Beton eine kleine Diva: Scharfe Reinigungsmittel können den Lack beschädigen und in die Betonoberfläche eindringen, weswegen Betonküchen nur mit Kernseife und warmem Wasser gereinigt werden sollten. Zudem ist Beton nur bedingt hitzeresistent und kratzfest, weshalb Untersetzer gegen heiße Töpfe und Pfannen benutzt werden müssen.

Beton in der Küche als echtes Unikat

Beton in der Küche ist langlebig und sieht gut aus. Der Küchenraum bekommt so eine maximal individuelle Note. (Foto: LEICHT)
Beton in der Küche ist langlebig und sieht gut aus. Der Küchenraum bekommt so eine maximal individuelle Note. (Foto: LEICHT)

Dennoch zieht mit Beton in der Küche ein langlebiges und belastbares Material in die Küche ein, das für einen modernen, puristischen und zugleich warmen Küchenraum steht. Jede Küche mit Beton ist maximal individualisierbar und ein echtes Unikat.

Dank des flüssigen Leichtbetons und der hauchdünnen Verwendung des Materials an Fronten und Arbeitsplatten sind die Zeiten des klobigen Brutalismus vorbei – und Beton erhält eine zweite Chance als seriös-ästhetisches Material, das den Küchenraum bereichert. 40 Jahre nach Errichtung hässlicher Beton-Hochhäuser haben die Menschen endlich eine gute Verwendung für das Material gefunden – und wir erfreuen uns an den neuen Ideen der Küchenhersteller, dieses Material in unzähligen innovativen Modellen in unser Zuhause zu bringen.

Küchenhersteller von Betonküchen

Neben eggersmann, LEICHT und anderen namhaften Küchenherstellern hat auch Häcker seit diesem Jahr eine neue Front in Spachtelbeton graphit im Sortiment. Die Nachfrage nach Beton in der Küche wächst und wächst. (Foto: häcker)
Neben eggersmann, LEICHT und anderen namhaften Küchenherstellern hat auch Häcker seit diesem Jahr eine neue Front in Spachtelbeton graphit im Sortiment. Die Nachfrage nach Beton in der Küche wächst und wächst. (Foto: häcker)

Namhafte Hersteller von Küchenräumen haben begonnen, mit Leicht-Beton in der Küche zu experimentieren: eggersmann mit der E 3.0 in Beton und Altholz, LEICHT mit den Linien TOPOS|CONCRETE, CONCRETE-C und CONCRETE-A und zeyko mit der Forum Stucco medium, bei der Betonspachtel noch in reiner Handarbeit aufgebracht wird.

Auch Häcker-Küchen vermeldete im Frühjahr dieses Jahres einen neuen „Spachtelbeton-graphit“ für seine Modelle „classic Comet“ und die designbetonte Programmlinie systemat/systemART mit dem Farbton AV1070. Die dunkle und bodenständige Farbe der Betonküche könne optisch hervorragend zu elegantem Natur- oder aufgearbeitetem Altholz, aber auch Glas und glänzendem Lack kombiniert werden, so der Hersteller.

Wenn Sie sich für Beton in der Küche interessieren, finden Sie unter diesem Link verlässliche Küchenstudios in Ihrer Umgebung, die Sie gern zu einer hochwertigen Betonküche beraten.

Susanne Maerzke
Susanne Maerzke
Kochen ist Lebensfreude, Zeit mit Freunden, Belohnung, Versöhnung, Hobby und Genuss. Auch unsere Redakteurin sieht die Küche als das Herzstück der Wohnung – schließlich endet jede gute Party zurecht in der Küche neben den letzten Käsehäppchen und einem Glas Wein. Es lohnt sich also definitiv, sein Augenmerk auf die Ausstattung der Küche zu richten und mal bei den neuesten Trends, Geräten und Designern nachzuhaken: auch als Gesprächsgrundlage für die nächste Feier.

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