Bulthaup soll „menschlicher“ werden: Mit diesen Worten läutet Inhaber Marc Eckert die neue Produkt- und Markenphilosophie des bekannten Luxusküchenherstellers ein. Das bisherige Portfolio verschwindet zugunsten eines Systems, aus dessen Bauteilen nun jeder seine eigene Küchenwelt verwirklichen kann. Der Fokus auf Edelstahl und Holz nimmt Abschied von der bisherigen Ästhetik der leisen Töne.
Springen Sie bei Bedarf vor:
- bulthaup im Wandel
- Die Neuheiten von bulthaup 2024
- Neues Markenimage
- Keine Modelle mehr – stattdessen ein bulthaup-System
THINK. Mit nur einem Wort ändert die Luxusmarke bulthaup ihr gesamtes Portfolio, mehr noch: ihre bisherige Markenphilosophie. Dabei steht der Begriff für weitaus mehr als nur eine neue „Denke“. Es ist das Akronym für einen Satz, mit dem sich die Küche – ginge es nach bulthaup – einer genauen Definition entzieht und Planerinnen wie Kunden größtmöglichen Handlungsspielraum bietet: There Is No Kitchen.
Es ist auch das Motto, unter dem bulthaup Mitte April nach Mailand zur EuroCucina einlädt, der größten Küchen- und Designmesse der Welt. In diesem Rahmen kündigt die Marke ihre Transformation schon Wochen vorher an: „From space to place. From possession and status to pure human existence“, steht in der Einladung geschrieben. Die Wortwahl sorgt für Aufsehen. Bislang hätte man all das ausgerechnet bulthaup zugeschrieben – Statusdenken, Besitzanspruch und genügend Platz für eine geräumige Küche.
Bulthaup im Wandel
Der Hersteller aus dem bayerischen Aich, 1949 als Möbelmanufaktur gegründet, hat sich längst zu einem der wertvollsten Exporte des deutschen Küchenmarkts entwickelt. Kaum ein anderer Küchenproduzent kann auf ein vergleichbares Markenbewusstsein blicken, mit dem das Unternehmen seine Käuferschaft auch namentlich durchdringt. Bulthaup-Küchen sind ein Begriff – und sie sind ein Synonym für Luxus, wie es sonst nur Produzenten von Autos, Uhren und Mode zu gelingen scheint.
Damit soll nun Schluss sein. Bulthaup, so sagt es Inhaber und Geschäftsführer Marc Eckert im Interview, solle „menschlicher“ werden. Schon seit vielen Jahren arbeitet die Marke daran, Menschen in den Mittelpunkt ihrer Küchen zu rücken. Was reichlich abstrakt klingt, schlägt sich seit Mailand gut sichtbar in der neuen Materialwahl des Unternehmens nieder: Wo früher vor allem Lack- und Laminatfronten mit geradlinigem Fugenbild und griffloser Ästhetik das Bild der Marke geprägt haben, setzt Bulthaup nun verstärkt auf Stahl und Holz.
Metalloberflächen und Edelstahlplatten sind zwar nicht neu im bulthaup-Sortiment. Dafür gab es bislang die b2 als Modell mit „Werkstattcharakter“, die mit Werkbank und Geräteschrank einer kunstvollen Dekonstruktion des modernen Küchenraums glich. Für den Menschen, der Geborgenheit und Gemeinschaft in seiner Küche suchte, waren die modularen Einzelteile jedoch möglicherweise zu „artisan“, wie es die Marke heute ausdrückt.
Die Neuheiten von bulthaup 2024: Emotional mit Edelstahl
Was bulthaup stattdessen in Mailand präsentiert, gleicht einer b2 unterm Brennglas: Die neue Küchenwelt des Herstellers wird von Edelstahlinseln, Massivholzschränken und quadratischen Kochblöcken dominiert – mit starken Sockeln, zentimeterdicken Arbeitsplatten und deutlich sichtbaren Stangengriffen.
Küchenwerkbank (KWB)
Ins Zentrum des Geschehens rückt die „Küchenwerkbank“ (KWB), ein wiederaufgelegtes Designmodul aus dem Archiv. Das 1988 mit Gestalter Otl Aicher entwickelte Objekt ist in seiner minimalistischen Formgebung so zeitlos wie direkt. Spüle, Armatur und Kochfeld erwachsen in scheinbar fugenloser Gleichmäßigkeit direkt aus der Oberfläche des Edelstahlkorpus, wofür bulthaup eine Neuerung ganz sachlich nebenher einstreut: Gas- und Induktionskochfelder stellt die Marke nun ebenfalls selbst her.
Die Küchenwerkbank halte sich stark ans Original, erklärt das Unternehmen. Lediglich den typischen bulthaup-Radius habe man den Kanten der einst eckigen Kücheninsel hinzugefügt. Wer will, kann die Rundung von 12,5‘‘ sogar überprüfen – er entspricht exakt den Maßen des aktuellen iPhones. Zugleich wurde beim Edelstahl nachgebessert; eine neue Glasperlenstrahlung, die das Unternehmen selbst vornimmt, sorgt für eine außergewöhnlich weiche Haptik und eine verbesserte Kratzfestigkeit. Dass bulthaup seine Fertigkeiten beim Werkstoff Stahl weiterentwickelt, kommt ebenfalls nicht von ungefähr: Seit rund 10 Monaten betreibt der Küchenproduzent eine eigene Stahl- und Aluminiummanufaktur am bayerischen Standort bei Bodenkirchen.
Massivholzschränke
Der Einsatz für das neue Image, das bulthaup sich gerade zulegt, ist hoch. Man könnte auch sagen, massiv: Rund 630 Kilogramm wiegt beispielsweise der komplett aus Echtholz gefertigte Wandschrank, der unter anderem zwei ausziehbare Apothekerauszüge beherbergt. Nicht nur die bislang gängigen Hölzer aus Eiche und Walnuss stehen dafür zur Verfügung. Auch auf Kiefer, Kirsche und Esche setzt der Hersteller seit diesem Jahr. Je nach Wahl können die Holzarten unterschiedlich veredelt werden, beispielsweise gebürstet, glatt oder mit authentischer Struktur. Diese taktile Stärke führt bulthaup zurück zu seinen Wurzeln, als die ehemalige Schreinerei noch Küchenbüffets anfertigte: Als „gemütlichen Raum für das tägliche Beisammensein.“
Bis heute werden viele Details manuell gefertigt. Entlang der Lochplatte aus Aluminium, die zum Aufhängen von Kochutensilien im Inneren des Schranks platziert ist, sind beispielsweise griffige Stahlhaken befestigt. Sie wirken wie rundgefeilte Handschmeichler und demonstrieren das, was bulthaup künftig ausmachen soll: Stärke, Sichtbarkeit und ein unbedingter Wille zur Selbstfertigung. Damit wolle man die Wertschöpfung im eigenen Haus konzentrieren, erklärt CEO Marc Eckert. Nur so lasse sich die Qualität sicherstellen, mit der jedes bulthaup-Produkt das Unternehmen verlassen soll.
Montage-System und Wandreling
Mehr planerische Freiheit verspricht das neue Montage-System, welches wandhängende Schränke künftig frei platzierbar in Höhe und Breite macht. Der sogenannte „Butterfly“ soll sicherstellen, dass sich jeder mit dem „bulthaup-Baukasten“ seine eigene Definition von Küche zusammensetzen kann.
Zur sichtbaren Ausrichtung der Kochutensilien gehört nun auch ein Relingsystem aus Metall, an das sich die bekannten bulthaup-Accessoires – vom Ledertopflappen bis zur Gewürzmühle – einhängen lassen.
Von mehreren Seiten zugänglich und damit höchst funktional ist eine Neuerung im quadratischen Kochblock der Marke: Der darin integrierte Unterschrank lässt sich im rechten Winkel sowohl nach vorn als auch zur Seite ausziehen. Damit wird der Stauraum vollumfänglich genutzt – und ermöglicht mehreren Personen den Zugriff von verschiedenen Seiten.
Wohnwand und Küchenarbeitstisch
Eine massive Wohnwand zieht künftig mit ihren polygonalen Ausschnitten alle Blicke auf sich: Ermöglicht wird das durch ein doppelwandiges Schranksystem, in das die geometrischen Aussparungen eingefräst werden. Daraus entstehen Halter für Bücher, Messer, Pflanzen oder persönliche Objekte.
Nicht minder auffällig ist ein Hochtisch aus heller, geölter Kiefer in massiver Optik mit passendem Barhocker („Kyoto“), den bulthaup ebenfalls produziert. In einer versteckten Seitenschublade des „Küchenarbeitstischs“ lassen sich scharfe Kochmesser platzieren, wie es bulthaup mit einem eigenen Set aus Mooreiche und Stahl demonstriert. Ein Magnetismus stellt sicher, dass die Schublade nur mit dem richtigen Gegenstück ausgefahren werden kann.
Die durchdachte Funktionalität lässt die bedingungslose Brillanz aufblitzen, mit der bulthaup seine reduzierten Möbelstücke technisch ersinnt und entwickelt. Zugleich verabschiedet sich die Marke von optischer Vollkommenheit. Die erwartbare Patina des Kiefernholztisches, die künftig von Kratzern, Farb- und Ölflecken begleitet werden könnte, sei der beste Beweis für die Küche als Lebensraum, bekräftigt Inhaber Marc Eckert. Der architektonische Leitsatz „form follows function“ sollte in „form follows being“ abgewandelt werden, sagt er. Denn Küche stelle für jeden etwas anderes dar.
Neues Markenimage: Please touch my Statussymbol
Die aufwändige Produktentwicklung, das Festzurren der neuen Markenphilosophie, die Ausrichtung auf handfeste Materialien und starke Statements, kurzum, die neue „boldness“, die bulthaup-Möbel nun versinnbildlichen: All das hätte er bereits bei seinem Unternehmenseintritt vor rund 14 Jahren losgetreten, sagt Eckert. Er ist der Enkel des bulthaup-Gründers Martin Bulthaup. Das System Küche neu zu denken – vor allem eines, mit dem die Marke über viele Jahre hinweg Perfektion und Ästhetik verkörpert hat – sei ein kräftezehrender Prozess gewesen.
Noch heute seien die Möbel, die die Produktion verlassen, zwar geprägt vom inhärenten Anspruch der Marke auf Qualität und Fertigung. Den Begriff Luxus möge er aber überhaupt nicht: „‘Don’t touch my Statussymbol‘ – was gibt es Schlimmeres? Wie ein blankgeputzter Porsche, der nur in der Garage steht. Keiner von uns möchte in einem Museum leben ohne den Hauch einer Seele. Im Gegenteil: Wer tut, versteht, sagen wir bei Bulthaup immer.“
Keine Modelle mehr – stattdessen ein bulthaup-System
Wer das neue bulthaup indes verstehen möchte, muss sich verabschieden von der bisher gekannten Nomenklatur. Künftig soll es keine Unterscheidung mehr zwischen b1, b2 und b3 geben. Stattdessen spricht das Unternehmen von einer großen Schublade, aus der sich Architektinnen, Küchenplaner und Kundschaft bedienen können – so, wie man es von Legosteinen kennt.
„Du ziehst eine Schublade heraus und hast sämtliche Bausteine zur Auswahl. Auf dieser Grundlage kannst du alles so zusammenstellen, wie es dir gefällt“, sagt Marc Eckert. Statt mit Modellen arbeitet das Unternehmen ab sofort mit dem „bulthaup-System“.
Es sind radikale Änderungen, die bulthaup 2024 anstößt. Nicht jedem dürfte die neue Struktur gefallen, andere werden die Marke gerade deshalb für sich entdecken. Es ist das weiße Blatt Papier, das zum Nachdenken herausfordert – und Händlern wie Kundschaft die Chance gibt, die Küche als Ort von Gemeinschaft, Flexibilität und Genuss neu zu denken. Bulthaup nennt es die „Enkelfähigkeit“: ein generationenfähiges System. Gekommen, um zu bleiben.
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