Mit einer Kapsel auf Knopfdruck feinstes Gourmet-Essen zubereiten: Ein Wunschdenken für Eilige, Einfallslose oder Gastgeber, die sicherstellen wollen, ihren Gästen einen wahren Gaumenschmaus vorzusetzen. Genau das war aber auch das Ziel des französischen Unternehmens Nutresia SA, das gemeinsam mit der französischen Sterneköchin Anne-Sophie Pic die Küchenmaschine „ChefCuisine“ entwarf.

Die französische Version des Thermomixes wurde als High-End-Kochgerät verkauft, glich aber optisch einer voluminösen Nespresso-Kaffeemaschine. Kein Wunder: Mitbegründet
hat das Gerät neben Anne-Sophie Pic der ehemalige Nestlé-Manager Jonathan Perella.
Die Vorgehensweise sollte denkbar einfach sein: Vorbereitete Gourmet-Mahlzeiten wurden in Kapseln gepresst, die die jeweils einzelnen Bestandteile voneinander getrennt und sorgfältig eingeschweißt für den Kunden bereithielten. In jede Essenskapsel wurde ein Mikrochip installiert, welcher der ChefCuisine-Küchenmaschine die sekundengenaue Zubereitungsart elektronisch mitteilte.
3-Sterne-Köchin als Mitbegründerin des ChefCuisine
Das wirklich Interessante daran: Der Herstellungsprozess klingt zunächst nach ungesundem und geschmacklosen Mikrowellen-Essen, soll aber tatsächlich vorzüglich gemundet haben. Denn: Anne-Sophie Pic, die berühmteste und talentierteste Köchin Frankreichs, gab der Werbekampagne des ChefCuisine nicht nur ein Gesicht, sondern war aktiv an der Entwicklung des Geräts beteiligt. Anne-Sophie Pic ist die einzige Frau in Frankreich, die drei Michelin-Sterne für ihr Restaurant erreichte.
Als der Nutresia-Geschäftsführer Jonathan Perella an sie herantrat und ihr seine Idee unterbreitete, soll Pic von der Vision begeistert gewesen sein, die da hieß: Auch größeren Bevölkerungsschichten den Zugang zu Gourmet-Essen auf höchstem Niveau ermöglichen.
Jakobsmuscheln und Gans aus der Kapsel
Nun klingt Essen aus der Kapsel zunächst ganz und gar nicht nach Niveau, aber die Gerichte konnten sich sehen lassen: Jakobsmuscheln auf Linsen, zartes Rinderfilet mit Soja und Honig, Mungosprossen und Ingwer auf knusprigem Gemüse oder – typisch französisch – Gänsestopfleber auf einem Bett aus Zitronengelee. Und: sie schmeckten auch.
Französische Restaurantkritiker waren entsetzt, während Anne-Sophie Pic erklärte, dass der ChefCuisine auch nur ein Nebenprodukt der heutigen Restaurantszene sei, die ähnlich operieren würde. Gute Zutaten, sekundengenaue Garzeiten, vorbereitete Speisen, die eingefroren werden – und für den Endverbraucher sorgfältig aufbereitet werden würden.
Das französische Pendant zum Thermomix
Im Gegensatz zum deutschen Thermomix, der die Herstellung der Mahlzeiten noch selbst übernimmt und rührt, knetet, kocht, bäckt, mixt und wiegt, war der ChefCuisine nicht nur einfacher und schneller zu bedienen, sondern auch deutlich günstiger: Ab 199 Euro konnte man das Gerät online erwerben. Hinzu kamen die Kapseln mit Mahlzeiten, die zwischen 6 und 60 Euro lagen und, ähnlich einer Druckerpatrone, das eigentliche Geschäftsmodell sein sollten. Mit weiterem Zubehör und Rezepttipps auf der dazugehörigen Homepage stand dem Präparator von Fertigmahlzeiten eine glänzende Zukunft in Aussicht.
Mittlerweile ist das Unternehmen pleite.
Während Frankreichs Gourmetszene zufrieden nicken dürfte, die ein Sterben der Restaurants sowie das Ende der weltberühmten französischen Kochkultur prophezeit hatte, hält sich Anne-Sophie Pic als Mitbegründerin des ChefCuisine bedeckt. Bereits vorher hatte sie angekündigt, die Gastronomie dürfe sich nicht immer nur beschweren, sondern müsse auch „mit dem Wandel des Lebensstils“ gehen.
ChefCuisine scheiterte – zuviel Müll und Geld, zu wenig Eigenregie
Diesen Wandel wollten die Franzosen offenkundig nicht mitmachen. Der Versuch, mittels einer Maschine und verschweißten Alukapseln die französische Gourmetszene auch für die wohlhabende Mittelschicht zu öffnen, scheiterte krachend. Das Experiment des ChefCuisine war ein aufregender Ausflug in die Welt schneller Mahlzeiten, andersartiger Genüsse und maschinell produzierten Essens.
Nicht zuletzt aus ökologischer Sicht war der ChefCuisine ein schwieriges Unterfangen – neben der Skepsis um die richtige Zubereitung des Essens spielten auch Umweltschutzbedenken eine Rolle. Ähnlich einer Nespresso-Maschine produzierte der ChefCuisine aufgrund der vielen Kapseln enorm viel Plastikmüll.
Dennoch beruhigt es zu sehen, dass die Menschen sich am Ende eben doch lieber Zeit nehmen für das Kochen und Genießen kulinarischer Genüsse. Wo der Thermomix zumindest einen Grundeinsatz an Unterstützung vom Koch einfordert, war der ChefCuisine schlichtweg eine Mikrowelle für Besserverdiener.
Jedem aufgeregten Gastgeber sei zum Schluss gesagt: Wieviel schöner ist es, wenn Sie selbst etwas von Wert und Genuss schaffen für Ihre Gäste, sodass diese einen Nachschlag verlangen? Das hätte Ihnen der ChefCuisine nämlich nicht bieten können…