Schneiden, Kochen, Putzen: Dinge, die uns bei der alltäglichen Küchenarbeit als selbstverständlich erscheinen, stellen sich plötzlich als unmöglich heraus, wenn man sich an Arm oder Hand verletzt hat oder im Alter irgendwann die Kraft fehlt. Wie soll man einen Laib Brot mit nur einer Hand schneiden? Wie Möhren raspeln, Blechdosen öffnen, einen Topf mit Wasser zur Herdplatte zerren? Normale Arbeitsabläufe in der Küche werden zur Herausforderung – doch mit ChopChop, der individuellen Küchenzeile, zum Kinderspiel.
Design hat auch eine soziale Dimension
Der Berliner Industrial Designer Dirk Biotto beobachtete seine 90-jährige Großmutter beim Werkeln in der Küche und stellte fest, wie schwer ihr ehemals einfache Verrichtungen fielen. Das brachte ihn dazu, über die sozialen Dimensionen von Design nachzudenken: Hatte Produktgestaltung neben einer großen ästhetischen Komponente nicht auch die Verpflichtung, dessen Handhabung leicht und funktional werden zu lassen?
Speziell im Küchenbereich werden Laufwege gekürzt, Arbeitsplatten ergonomisch der Größe des Nutzers angepasst oder Arbeitsabläufe harmonisiert durch das automatische Kommunizieren von Geräten untereinander. Und dennoch: Nicht nur das große Ganze, sondern vor allem die vielen kleinen alltäglichen Aufgaben fallen kranken, alten oder in ihrer Agilität eingeschränkten Personen schwer. Also konzipierte Dirk Biotto die zweizeilige Kücheninsel ChopChop, die Menschen beim Kochen aktiv unterstützt und Handgriffe erleichtert.
Was ist ChopChop?
ChopChop ist eine smarte Kücheninsel aus zwei unabhängigen Modulen, die individuell für den Nutzer behängt und eingestellt werden können. Beide Module sind 1,20 Meter lang, 60 Zentimeter tief und können dank ineinandergreifender Metallrohre in der Höhe verstellt werden. Ihre Rückwände sind mit Lochbrettern versehen, in deren Löchern nach Belieben Küchenutensilien wie Schneebesen, Teller, Tassen und Töpfe aufgehängt werden können.
Während das eine Modul mit einer Spüle und einem Abtropfgitter zum Abwaschen der Lebensmittel vor dem Kochen dient, kann das andere Modul zur Zubereitung der Speisen genutzt werden. Biotto bedient sich hier cleveren Einbautricks, die die täglichen Handgriffe beim Kochen erleichtern: Ein in der Arbeitsplatte integrierter Gemüseschäler lässt den Nutzer Karotten mit nur einem Handgriff raspeln, deren kleingehackte Reste in eine ausziehbare Schublade darunter fallen und sofort verwendet werden können.
Clevere Einbautricks erleichtern das Schälen und Schneiden
Eine Halterung am rechten Außenrand, gleich einer Hobelbank, klemmt Dinge wie Konserven und Gläser, aber auch Gemüse oder Brot, das es zu schneiden gilt, mithilfe eines Schraubstocks zwischen den Holzoberflächen ein und hilft so, diese nur mit einer Hand zu öffnen oder zu schneiden. Außerdem findet sich am linken Außenrand eine leichte Ausbuchtung im Holz, in die man die Brotscheibe hineinlegen und mit Butter beschmieren kann – die wegrutschende Scheibe wird durch die Ausbuchtung im Zaum gehalten.
Auch das Modul mit der Spüle macht sich für ältere oder inagile Menschen nützlich: Einfacher, als einen vollen Topf mit Wasser zum Herd zu zerren, ist nämlich, den ausziehbaren Schlauch der Armatur zu nutzen und das Wasser erst auf dem Herd selbst in den Topf zu füllen. Ein leicht abgeschrägtes Spülbecken hilft zudem, Sachen nach dem Abwaschen dort abtropfen zu lassen. Mithilfe einer gelaserten Stahlfläche, die sich darüberziehen lässt, gewinnt man sogar noch einmal mehr Abstellfläche. Außerdem bietet dieses Modul ebenfalls Regale und Haken für Teller, Gewürze und Tassen an.
Wie kam das Design zustande?
Dirk Biotto wurde nicht nur von seiner Großmutter inspiriert, die es beim Kochen einfacher haben sollte. Er nahm sich auch die Zeit, mit körperlich eingeschränkten Menschen oder Bewohner von Altenheimen zu sprechen und sich deren Sorgen und Nöte anzuhören. Außerdem testete er mithilfe eines „Alterungsanzugs“, der dem Träger das Gefühl vermitteln soll, gealterte Knochen und wenig Kraft zu haben, wie sich der alltägliche Kochablauf verrichten lässt. Biotto setzte sich selbst in einen Rollstuhl oder simulierte einen gebrochenen Arm und kam so der Lösung einer idealen Arbeitsstation in der Küche immer näher: Was fehlt, was ist schwer, was unmöglich?
Mit ChopChop, der individuellen Küchenzeile, zog er im Wettbewerb des German Design Awards 2017 in die Runde der fünf Finalisten ein. Die funktionale und optisch ansprechende Küchenzeile muss nun noch für den großen Markt entwickelt werden: Weil Design auch einen sozialen Anspruch hat.