Die recycelte Küche: Sieht doch ganz gut aus

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Die Versprechen sind groß, die Erwartungen noch größer: während sich die Küchenindustrie bemüht, in Windeseile nachhaltig zu werden, pochen nicht wenige Kundinnen und Kunden auf den Greenwashing-Effekt der sogenannten „zero emissions“-Zertifikate. Eine grüne Alternative zur Neuproduktion könnten recycelte Möbel und Materialien sein. Wir haben uns nach Herstellern umgeschaut, die für ihre Küchen und Geräte erneuerbare Rohstoffe verwenden – und sind fündig geworden. Ein Überblick über die recycelte Küche von morgen.

Tipp: Lesen Sie auch Teil II unserer Serie. „5 Denkanstöße – Wie klappt der nachhaltige Küchenkauf?“

 „Closing the Circle“ prangt als Claim über dem spektakulär inszenierten Messestand des Schweizer Premiumgeräteherstellers V-ZUG. Die Ausstellung auf der weltweit größten Küchenmesse, der EuroCucina in Mailand, beschreibt die Form eines Kreises, der mit den Backöfen, Dampfgarern und Induktionskochfeldern des Unternehmens bestückt ist. Diffuses Licht, das wie durch Pergamentpapier gefiltert scheint, bahnt sich gleißend seinen Weg durch den dunkel ausgekleideten Messeraum. Die Szenerie – ein Wechselspiel aus Hell und Dunkel, aus simplen organischen Formen und komplexer Gerätetechnologie – mutet evolutionär an; wie der Beginn von etwas Großem.

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V-ZUG auf der EuroCucina 2022. (Video: V-ZUG)

Und tatsächlich wird diese Zeit mutmaßlich im Rückblick auch als solche betrachtet werden: Als ein Abschnitt, in dem Unternehmen und Hersteller die Wichtigkeit von Natur und Umwelt erkannt haben und Verantwortung für ihr eigenes Handeln übernehmen. An dem die Produktion von Möbeln und Geräten zwar Fortschritt verheißt, aber eben auch bewusst mit dem Verbrauchen von Ressourcen einhergeht. An dem Konsum keine Einbahnstraße ist, sondern bewusst als Kreislauf gestaltet sein muss, um ein Klimagleichgewicht sicherzustellen und Nachhaltigkeit bewusst zu leben.

Doch wie sieht sie aus, die nachhaltige Küche von morgen? Welche Bemühungen gehen Küchenhersteller und Geräteproduzenten derzeit bereits ein, um ihre Prozesse so ökologisch wie möglich zu gestalten? Was bieten sie den Konsumentinnen und Konsumenten von morgen an – und was kann jene Käuferschaft selbst beachten, wenn es um den Kauf einer „grünen“ Küche, beispielsweise einer recycelten Küche, geht?

Altholz ist ein beliebtes Material in der Küchenplanung. Doch was tun Hersteller noch, um der recycelten Küche näherzukommen?
Altholz ist ein beliebtes Material in der Küchenplanung. Doch was tun Hersteller noch, um der recycelten Küche näherzukommen?

Teil I unserer Serie zur nachhaltigen Küche beschäftigt sich mit der Küchenindustrie und den dortigen Ansätzen zu Umweltschutz, grünen Möbeln und recyclefähigen Materialien.

Teil II gibt praktische Tipps für Käufer beim Kauf einer nachhaltigen Küche.

1) Die recycelte Küche bei Rotpunkt: „Mission Umweltfreundlichkeit“ mit Spänen und Bruchholz

Grüne Kompromisse waren gestern. Das Thema Nachhaltigkeit ist dieser Tage so präsent, dass Konsumentinnen und Konsumenten oftmals genau hinschauen. Das dürfte vor allem große Küchenproduzenten in Erklärungsnot bringen, die sich ihre „zero emissions“-Politik durch teure Klimaschutz-Zertifikate erkaufen. Anders handhabt es Rotpunkt, ein mittelständisches Küchenunternehmen aus dem ostwestfälischen Bünde. „Wir sprechen nicht mehr von der klimaneutralen Küche“, erklärt Sven Herden, Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing. Die Berechnungen, wo der CO2-Ausstoß in der Produktion von Küchen anfange und wo er aufhöre – nämlich beim Recyceln der Küche durch den Konsumenten – sei zu komplex, um der Thematik durch konkrete Zahlen gerecht zu werden.

Stattdessen setzt das Unternehmen alles daran, um seine grüne Küchenkollektion „Greenline stetig zu verbessern. Aus der ersten Idee, für das Holz des Korpus sogenannte „Einjahrespflanzen“ zu nutzen, die rasch nachwachsen und sich stabil verarbeiten lassen, ist mittlerweile eine zweite Generation entstanden. Rotpunkt setzt nun auf recycelte Möbel, Bruchhölzer und Späne aus Sägewerken. Die sogenannte „BioBoard Gen(eration) 2“ wird zu modernen, stilistisch hübschen Küchenräumen mit geradlinigem Anstrich entwickelt, denen man die recycelte Herkunft nicht ansieht. Mit seinen ökologischen Ideen gilt Rotpunkt in der Küchenbranche als Pionier für Nachhaltigkeit. Dennoch sagt das Unternehmen über sich selbst: „Es gibt noch viel zu tun.“ Man freue sich, fügt Sven Herden hinzu, über alle Mitstreiter in der gemeinsamen „Mission Umweltfreundlichkeit“.

2) Die recycelte Küche bei SCHMIDT Küchen: 100% Recyclingholz für Korpus und Oberflächen

Die besagten Mitstreiter waren bislang rar gesät. 2021 meldete sich jedoch der deutsch-französische Küchenhersteller SCHMIDT Küchen mit einem gänzlich neuen Konzept zu Wort: Die Küchen der Serie „Origin Twist“ sind zu 100% aus Recyclingholz gefertigt. Neben dem Korpus werden auch Auszüge, Arbeitsplatten und Fronten aus recyceltem Holz gestaltet, das wiederum aus Sägewerken, Altmobiliar-Beständen oder Abbauholz stammt. „Wenn man Abfall als Ressource sieht, kann er Kreativität hervorbringen und Innovationen forcieren“, so Produktmanager Jean-Michel Jaeglé.

Noch stehen die Franzosen am Anfang ihrer ökologischen Bemühungen. Im Gegensatz zur Rotpunkt-Serie „Greenline“, mit der sich nahezu alle Modelle des Unternehmens in einem ökologischen Rahmen abbilden lassen, gibt es für die „Origin“ von SCHMIDT bislang lediglich eine verfügbare Oberfläche. Anstelle verschiedener Farben und Oberflächen greift hier das Prinzip Form vor Design. Das dürfte sich mit steigender Nachfrage aber hoffentlich noch ändern.

3) Die recycelte Küche bei STRASSER Steine: Die erste recycelte Stein-Arbeitsplatte der Welt

Arbeitsplatten in der Küche sind naturgemäß widrigen Bedingungen ausgesetzt: Sie werden mit Hitze, Flüssigkeiten, Feuchtigkeit und Schmutz konfrontiert – oder mitunter von spitzen und scharfen Gegenständen malträtiert. Hersteller haben in den vergangenen Jahren also eher daran gearbeitet, diese Oberflächen so widerstandsfähig wie möglich zu machen. Neue Verbundwerkstoffe drängten in den Handel. Das österreichische Unternehmen STRASSER Steine beweist nun, dass auch recycelte Materialien dazu fähig sind: In seiner Kollektion ALPINOVA setzt der Hersteller auf Arbeitsplatten aus Steinfragmenten, die innerhalb der Produktion übrigbleiben oder im Steinbruch als Abfall gelten. In einem sogenannten „Re-Stoning“-Verfahren wird der Recycling-Naturstein als Granulat mit natürlichem Harz als Bindemittel sowie einem Rezyklat aus Glas und Feldspat vermischt. Die robuste Textur, die sich zum Recycling-Stein ALPINOVA verbindet, ist so widerstandsfähig wie das Original – und doch bedeutend leichter im Gewicht sowie günstiger in der Anschaffung. Im Gegensatz zu echtem Naturstein ist ALPINOVA sogar elastisch und damit bruchfester. Allein die Hitzebeständigkeit sinkt ab Temperaturen über 200°C rapide ab. Ein Grund mehr, der Erderwärmung durch kluge Technologien im Küchen- und Gerätemarkt entgegenzutreten.

4) Die recycelte Küche bei Bosch und Liebherr: „Green Steel“ und Vulkangestein

Wie sieht Klimaschutz im Kühlgeräte-Segment aus? Klar ist: bislang genügte ein gutes Ranking auf der Energieeffizienzskala, um sich als umweltfreundliches Unternehmen zu positionieren. Diese Zeiten sind vorbei. Allein die Produktion der zunehmend monolithischen Kühlgiganten in XXL verschlingt tonnenweise CO2.

Gerätehersteller nehmen nun zunehmend das Kühlgehäuse unter die Lupe. Bosch Hausgeräte probiert sich beispielsweise an sogenanntem „Green Steel“ aus: Dieser Stahl wird aus regenerativen Energiequellen und recyceltem Schrott hergestellt. Hinzu kommen weitere umweltschonende Materialien, so unter anderem bio-basierte Kunststoffe und Schäume. Die erste „Eco Fridge“-Generation besteht zwar erst zu 27% aus recycelten Materialien, minimiert aber bereits jetzt die CO2-Emissionen des Geräts um satte 33%.

Dank "Green Steel" spart der neue Bosch Eco Fridge rund 33% CO2-Emissionen ein - und besteht immerhin aus 27% recycelten Materialien. (Foto: Bosch Home)
Dank „Green Steel“ spart der neue Bosch Eco Fridge rund 33% CO2-Emissionen ein – und besteht immerhin aus 27% recycelten Materialien. (Foto: Bosch Home)

Mitbewerber Liebherr tüftelt derweil ebenfalls an der Zusammensetzung seiner künftigen Kühlgeräte. Unter dem Einsatz von Perlit, einem fein gemahlenen Lavagestein, sollen Kühl- und Gefriergeräte eine hocheffiziente Kälteisolierung erhalten, die deutlich am Wandvolumen einer herkömmlichen Kühlschranktür einspart – und obendrein weniger CO2 in der Produktion ausstößt. Die sogenannte BluRox“-Technologie basiert auf einer Vakuumdämmung und soll langfristig herkömmliche Schaumelemente entlang des Kühlgeräts ablösen. Auch am Ende des Lebenskreislaufs macht sich der Rohstoff Perlit noch einmal nützlich: er lässt sich sauber trennen und – laut Liebherr „ohne wesentliche Aufbereitung“ – noch einmal wiederverwenden. Selbst die Außenhülle und der Innenbehälter des Kühlgeräts können einem Recycling unterzogen werden, da die Komponenten nicht miteinander verklebt sind. Bis zur grünen Wiederverwendung dauert es jedoch noch ein Stück: aktuell arbeitet Liebherr zunächst daran, neben der Kühlschranktür auch die Seitenwände effizient mit Perlit herzustellen.

Das erste Produkt, das Liebherr mit der neuen BluRox-Technologie ausstattet, ist ein Gefrierschrank. Hierbei kommt Perlit als Kältedämmung zum Einsatz. (Foto: Liebherr)
Das erste Produkt, das Liebherr mit der neuen BluRox-Technologie ausstattet, ist ein Gefrierschrank. Hierbei kommt Perlit als Kältedämmung zum Einsatz. (Foto: Liebherr)

5) Die recycelte Küche bei V-ZUG: Kreislaufwirtschaft für Geräte

„Closing the Circle“ – ja, von was denn nun eigentlich? V-ZUG hatte mit der Gestaltung seines eingangs beschriebenen Messestandes auf der EuroCucina 2022, der von der Sizilianerin Elisa Ossino entworfen wurde, mutmaßlich eine ganz andere „Kreislaufwirtschaft“ im Sinn: nämlich die des Wassers, Basis allen Lebens, das gemeinsam mit Licht und Wärme einst zur Entwicklung unserer heutigen Natur geführt hat. Weil Wasser und Dampf auch zentrale Bestandteile der V-ZUG-Küchentechnologie sind (Dampfgarer, Geschirrspülmaschine, Refresh Butler), wagt das Unternehmen den Schulterschluss zur Natur.

Viel wichtiger dürfte es in den kommenden Jahren jedoch werden, mit „Closing the Circle“ tatsächlich an das Recyceln der eigenen Geräte und Wiederverwenden von Ressourcen und Energien anzuknüpfen. In der Schweiz, wo der Luxusgerätehersteller seinen Sitz hat und tatsächlich in jedem zweiten Haushalt vertreten ist, wirkt V-ZUG bereits an einem Partnerschaftsprojekt namens „Recycle“ mit. Ausgediente V-ZUG-Geräte können hierbei abgegeben werden, um eine fachgerechte Entsorgung zu erhalten. Wertvolle Rohstoffe werden somit in den Produktionskreislauf zurückgeführt. Es dürften noch einige Schritte nötig sein, um den Kreis tatsächlich zu schließen. Die Bemühungen des Konzerns – auch hinsichtlich des eigenen, nachhaltigen Produktionsstandorts – tragen aber maßgeblich zu einer guten Energiebilanz des Unternehmens bei.

Das Recyclingprojekt, an dem sich die Gerätemarke V-ZUG beteiligt, beschränkt sich derzeit leider noch auf die Schweiz. Das Beispiel zeigt, wozu das Recycling von Altgeräten gut sein kann. (Foto: V-ZUG)
Das Recyclingprojekt, an dem sich die Gerätemarke V-ZUG beteiligt, beschränkt sich derzeit leider noch auf die Schweiz. Das Beispiel zeigt, wozu das Recycling von Altgeräten gut sein kann. (Foto: V-ZUG)

Fazit zur recycelten Küche: Aller Anfang ist schwer

Wer eine „grüne Küche“ für ein gutes Gewissen kaufen möchte, erfreut sich schon heute an der klimaneutralen Produktion sämtlicher großer Küchenkonzerne, die durch Umweltzertifikate gestützt wird. Lückenlose Nachhaltigkeit wird es aber in den kommenden Jahren noch nicht geben: hierfür klafft die zahlengetriebene Herstellung von Küchen und die Verwendung ökologisch angebauter und verarbeiteter Rohstoffe noch zu weit auseinander.

Dennoch lässt sich mit einer Recycling-Küche bereits heute effektiv ein Zeichen setzen. Möglich machen das erste Hersteller, die Hölzer aus Möbelresten aufbereiten und neu verwerten. Längst nicht alle Produzenten und deren Bemühungen sind in diesem Artikel zu Wort gekommen – aber ebenso wirken noch nicht alle Hersteller auch tatsächlich auf eine Kreislaufwirtschaft hin.

Wem das Design der aktuell angebotenen Recycling-Küchen nicht zusagt, kann sich auch nach „Second Hand-Küchen“ umschauen. Die sogenannten Abverkaufs- bzw. Ausstellungsküchen werden aus den Showräumen von Küchenfachhändlern zu deutlich reduzierten Preisen abverkauft. Anders als in der Mode sind diese Küchenräume tatsächlich neuwertig. Ein zweites Leben in einem privaten Zuhause kommt nicht nur dem Recycling-Gedanken zugute, sondern spart tatsächlich jegliche Produktionsemissionen ein. Closing the circle: check.

>>> Lesen Sie hier Teil II unserer Serie zur recycelten Küche.
5 Denkanstöße: Wie klappt der nachhaltige Küchenkauf?

>>> Lassen Sie sich beim Küchenfachhändler vor Ort zu nachhaltigen Küchenmarken beraten. Ansprechpartner*innen finden Sie unter diesem Link.

Susanne Maerzke
Susanne Maerzke
Kochen ist Lebensfreude, Zeit mit Freunden, Belohnung, Versöhnung, Hobby und Genuss. Auch unsere Redakteurin sieht die Küche als das Herzstück der Wohnung – schließlich endet jede gute Party zurecht in der Küche neben den letzten Käsehäppchen und einem Glas Wein. Es lohnt sich also definitiv, sein Augenmerk auf die Ausstattung der Küche zu richten und mal bei den neuesten Trends, Geräten und Designern nachzuhaken: auch als Gesprächsgrundlage für die nächste Feier.