Das Pantone Color Institute ruft „Very Peri“ als Farbe des Jahres 2022 aus. Der Farbton setzt sich aus roten und blauen Farbtönen zusammen und wirkt auch genauso gegensätzlich: anstelle des fröhlichen Aufbruchs, der suggeriert werden soll, bleibt Ratlosigkeit zurück. Wie soll man „Very Peri“ nur gekonnt einsetzen im Küchenraum?
In einer Zeit, in der Individualität einen hohen Stellenwert im Interior Design hat, wird jeder gefeiert, der gegen den sogenannten Mainstream schwimmt – außer vielleicht, er möchte genau jenen prägen. Und so verwundert es schon, dass das renommierte Farbinstitut Pantone bereits zum zweiten Mal in Folge eine Farbe des Jahres wählt, die sich so gänzlich vom vorherrschenden Geschmack abzuheben scheint. „Very Peri“ ist die Farbe des Jahres 2022: ein kräftig lilafarben anmutender Blauton, der durch rote Nuancen dynamisch und vitalisierend wirken soll.
Die Farbe des Jahres 2022: die Hoffnungen lagen auf Blau und Grün
Ja, man hatte sich eine andere Farbe erwartet – mitunter sogar erhofft. Die Herbstmessen der Küchen- und Einrichtungsbranchen hatten als Farbton gemäßigte grüne und blaue Töne hervorgesagt. Waldgrün, Eukalyptus, Mineralgrün, Ocean und Fjordblau, diese wunderbar gesättigten und doch spannend zu kombinierenden Nuancen sollen künftig im Küchenraum neben Weiß, Grau, Beige und Schwarz dominieren.
Anders als auffällige Trendfarben, die mit dem heutigen Spektrum an RAL-Farben durchaus realisierbar sind, erzeugen dunkle Grün- und Blautöne als Arbeitsplatten, Fronten und Oberflächen eine ruhige Atmosphäre und wirken der Gefahr entgegen, ihrer in einigen Jahren überdrüssig zu werden.
Leider kann man dies von der neuen Farbe des Jahres 2022 nicht behaupten. Das Pantone Farbinstitut beschreibt „Very Peri“ mit „einer mutigen Präsenz, die den persönlichen Einfallsreichtum und die Kreativität weckt“. Mutig ist jedoch allenfalls der Einsatz der Farbe. Leatrice Eiseman, Geschäftsführerin des Pantone Color Institutes, rät dazu, „Very Peri“ zunächst nur an einer Wand statt rundum im gesamten Raum zu verwenden und sich mit dem Einsatz spielerisch auszuprobieren. „Peri-“ als griechisches Präfix für „rundherum“ soll wohl die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten andeuten, „very“ als englischer Begriff für „viel“ bekräftigt dies zusätzlich.
Momentan schwer vorstellbar: Für Interior-Experten dürfte es eine Herausforderung sein, die lila anmutende Farbe in einem seriösen und stilvollen Kontext unterzubringen.
Warum ein lilafarbenes Veilchenblau? Pantone erklärt „Very Peri“
Immerhin: die Aussage der gewählten Farbe des Jahres 2022 „Very Peri“ wird von Pantone als durchweg positiv beschrieben. Das Farbinstitut lässt sich bei der Wahl inspirieren von vorherrschenden Einflüssen aus Mode, Musik und Popkultur, aus Stimmungsbildern und Weltgeschehen. So gesehen ist die beabsichtigte Wirkung, nämlich „das Verschmelzen von physischem und digitalem Leben“ sichtbar zu machen und damit unsere neue Normalität abzubilden, durchaus nachvollziehbar. Und auch die Tatsache, dass wir nach einer Zeit der Isolation nun einen Wandel durchmachen, ist richtig.
Dennoch: Violett ist keine Farbe, der historisch und psychologisch Frohmut und Heiterkeit zugeschrieben wird. Allgemein wird die Farbe recht konträr betrachtet: sie vereine das „himmlische Blau“ und das „irdische Rot“, verbinde das Heiße mit dem Kalten, das Männliche mit dem Weiblichen, die Demut mit dem Gefühl von Macht. Lila, in diesem Falle ein kräftiges Veilchenblau, steht also im besten Sinn für Gleichberechtigung und Kreativität. Es wirkt aber auch unbestimmt und aufdringlich.
Das bisherige Medien-Echo bestätigt diese, Achtung, blauäugige Wahl: hier wird „Very Peri“ sogar in teils völlig unterschiedlichen Nuancen wiedergegeben.
Die beabsichtigte Wirkung von „Very Peri“
Pantone sieht das ganz anders. Die Farbe des Jahres 2022 zeige „eine lebhafte, fröhliche Sicht auf die Welt“ und sei „der fröhlichste und wärmste aller Blautöne“, sagt Leatrice Eisenman. Das ihr unterstellte Pantone Institute hat die Nuance „PANTONE 17-3938 Very Peri“ sogar gänzlich neu geschaffen in der Farbfamilie der Blautöne; ein Novum in der langjährigen Historie des Pantone Color of the Year-Programms.
Wie schon im Vorjahr, als gleich zwei Töne zur Farbe des Jahres ernannt wurden – „Illuminating“ (Hellgelb) und „Ultimate Gray“ (Dunkelgrau) – scheint sich das Institut allerdings mehr von gesellschaftlichen Strömungen denn von reeller innenarchitektonischer Umsetzung beeinflussen zu lassen. Schon das grelle Gelb, das einen unangenehmen Kontrast zum Dunkelgrau bildet, war von der Küchen- und Inneneinrichtungsbranche weitestgehend ignoriert worden. Auch für 2022 ist kaum eine Verbrüderung mit „Very Peri“ vorstellbar.
Schwierige Umsetzung von „Very Peri“ in Küche und Inneneinrichtung
Der rötlichblaue Violett-Ton als Nuance in der Raumplanung lässt sich allenfalls in einem sehr opulent gehaltenen Einrichtungsstil verwirklichen, wo er gemeinsam mit dunklem Holz, goldglänzendem Messing und dezenten Grautönen mächtig und stilbildend wirkt.
Er passt kaum zum betont puristischen, wohnfühligem Interieur, mit dem heute die meisten modernen Küchen ausgestattet sind. Graue und beige Töne, klassisches Weiß und die Trend-Nuance Schwarz: man hätte sich gewünscht, dass dieses gediegene Ensemble aus gedeckten Farben durch eine schöne, sanfte, ruhige Farbe aufgelockert wird; wahlweise auch konträr durch einen kräftigen Ton in Pink oder Creme. Etwas, das Freude und Helligkeit signalisiert, anstatt floralstichige Eigenwilligkeit des veilchenblauen „Very Peri“.
Klar: schön ist, was gefällt. „Very Peri“ kann als Farbe des Jahres durchaus punktuell eingesetzt werden; beispielsweise als Bezug für Barhocker und Sitzoberflächen in der Küche, als Nischenrückwand entlang der Küchenzeile oder als Farbstreifen an der Wand, der ein auffälliges Statement im Küchenraum setzt. Auch wir beim Küchen&Design Magazin haben über Jahre hinweg eine ganz ähnliche Nuance für unser Logo und unsere Artikel genutzt, bis wir befunden haben: Der Ton ist nicht aussagekräftig genug und dafür zugleich zu auffällig. Mittlerweile operieren wir mit einem warmen Korallton, der der Pantone Farbe des Jahres von 2019, „Living Coral“, ähnelt.
„Veri Peri“ als Farbe des Jahres ähnelt anderen Lilatönen aus den Jahren zuvor
„Very Peri“ hingegen mag Ihnen nicht nur bekannt vorkommen, weil wir die Nuance einst (ähnlich) genutzt haben. Sie war vielmehr schon desöfteren Thema in Pantone-Dunstkreisen: zwar wirkt der neue Ton etwas sanfter als das kräftige „Ultra Violet“, das erst vor drei Jahren zur Farbe des Jahres 2018 ausgerufen wurden. Dennoch ähneln sich die Farben sehr, übrigens ebenso wie der Ton „Blue Iris“ von 2008. Man hätte sich eine blaustichigere Nuance gewünscht – aber das wiederum ähnelt ja „Classic Blue“, der Farbe des Jahres 2020. Als Fazit bleibt wohl nur zu sagen: Pantone ruft zu Kreativität auf und verharrt selbst im Kosmos des Ewiggestrigen.
Mit „Very Peri“ ist für 2022 in der Küchenindustrie eher nicht zu rechnen – aber vielleicht überrascht das neue Jahr uns ja alle. Individualität steht schließlich hoch im Kurs.
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Very Peri kann kombiniert werden zu: weißen Hochglanzlackflächen, hellem Altholz, dunkelgrauen Betontönen, schwarzen Fronten.