Obst und Gemüse nach Farben sortiert, Reis und Milch in dekorative Boxen und Flaschen umgefüllt: Gut sortierte Kühlschränke gelten als das Maß aller Dinge in modernen Küchen. Der neueste Trend „Fridgescaping“ geht sogar noch einen Schritt weiter, denn nun wird der Kühlschrank tatsächlich dekoriert – mit Blumen, Kerzen und Bilderrahmen. Einst unscheinbarer Stauraum, wird das Kühlschrankinnere so zum Schauplatz kreativer Ordnungskunst. Alles über den Trend, an dem sich die Geister scheiden.
Was ist Fridgescaping?
Fridgescaping setzt sich aus den englischen Wörtern „fridge“ (Kühlschrank) und „landscaping“ (Landschaftsgestaltung) zusammen. Dieser Trend, der vor allem durch TikTok bekannt wurde, präsentiert den Inhalt des Kühlschranks so, als wäre er Teil des Wohn- und Lebensraums.
Und so wandern die Blaubeeren in kunstvoll verzierte Keramikschälchen, Rosmarin und Minze werden in kleine Blumenvasen gesteckt, um Milchkännchen werden Schleifen gebunden – und goldene Bilderrahmen sowie Lichterketten sorgen für den Feinschliff. Wer möchte, kann das Fridgescaping auch unter ein Motto stellen – etwa Halloween, die Lieblingsserie auf Netflix oder das letzte Urlaubsziel.
Die Bloggerin Lynzi Judish zum Beispiel hat ihren Kühlschrank passend zur Serie „Bridgerton“ im englisch-viktorianischen Stil dekoriert: mit Porzellantabletts, Mini-Büsten und Schmuckkästchen. Die Fotos gingen viral – und neben Fridgescaping entstand prompt ein zweiter (Mikro-)Trend: Fridgerton.
Fridgescaping: Unpraktisch, albern und gefährlich?
Doch wozu nun das Ganze? Schließlich ist ein liebevoll gestalteter Kühlschrank alles andere als praktisch – vor allem für Menschen, die viel kochen. Schnell verliert man den Überblick, ständig muss man Dinge hin- und herräumen. Alte Bilderrahmen und Weidekörbchen lassen sich zudem nicht richtig reinigen. Und hübsche Kerzen sind entweder nutzlos oder ein absolutes Sicherheitsrisiko.
Darüber hinaus verkürzt sich die Haltbarkeit vieler Lebensmittel, wenn diese in offenen Behältern aufbewahrt werden. Lebensmittelexpertinnen und -experten kritisieren sogar, dass durch die vielen offenen Lebensmittel die Gefahr von Kreuzkontaminationen steigt.
Auch die Fridgescaping-Community ist sicher dieser Probleme bewusst, spricht diese auch offen bei Instagram und Co an. Wieso wurde es dennoch zum Trend, den Kühlschrank innerlich aufzuhübschen?
Oder ist das Kühlschrank-Dekorieren doch nur ein harmloses Hobby?
Fridgescaping wirft die altbekannte Frage auf: Wann ist ein Trend ein Trend? Denn obwohl in den Sozialen Medien Fotos von aufwendig gestalteten Kühlschränken um die Welt gehen, muss man feststellen, dass die meisten Menschen lieber zuschauen, als selbst kreativ zu werden. Auf Instagram beispielsweise gibt es neben der bereits erwähnten Bloggerin Lynzi Judish nur wenige andere Influencer, die diesen Trend nachahmen. Trotzdem erntet die Amerikanerin viel Kritik: Die Deko würde Platz für Lebensmittel wegnehmen, ein Kühlschrank sei keine Bühne und überhaupt sei das ganze „Projekt“ viel zu zeitaufwendig.
Zu Judishs Verteidigung sei gesagt, dass der Kühlschrank schon seit geraumer Zeit zum Interior-Liebling auf Instagram und Co. avanciert. Zwar haben sich noch keine Lichterketten auf Lebensmittel verirrt, aber Posts über „Kühlschrank-Organizing“ und „Clean Fridge“ sind schon lange beliebt. Doch während sich bisher alles um Optimierung und Verbesserung drehte, kommt mit Fridgescaping ein bisschen Spaß in den Kühlschrank. Endlich, könnte man beinahe sagen.
Fazit zu Fridgescaping: Ein Trend mit Augenzwinkern
Bei Fridgescaping geht es darum, „etwas, das vielleicht ein bisschen alltäglich ist, zu verschönern“, fasst Judish zusammen. Ergänzen könnte man: Und über etwas, das vielleicht ein bisschen alltäglich ist, nachzudenken. Denn dass der Trend weder sonderlich nachhaltig, noch besonders praktikabel ist, liegt auf der Hand. Aber wenn er dazu anregt, über den Konsum und den Wert von Lebensmitteln im Allgemeinen nachzudenken, ist das wahrscheinlich mehr, als viele andere Trends je erreicht haben.
Ob unordentlich und authentisch, aufgeräumt und effizient oder aufwendig und verspielt: Vielleicht verrät das Innere unseres Kühlschranks mehr über uns, als wir zugeben wollen. Am besten ist es aber, Modeerscheinungen wie Fridgescaping als das zu sehen, was sie sind: ein unterhaltsamer Trend.