Jedes Jahr treffen sich Einrichtungs- und Designliebhaber in Mailand auf dem Salone del Mobile, um die neuesten Trends und Innovationen der großen Möbelhersteller zu begutachten. Dieses Jahr wurde die größte Möbelfachmesse der Welt von der renommierten Küchenmesse EuroCucina 2024 begleitet. Auch wir haben uns umgesehen – und bestaunt, wie die Küche der Zukunft aussieht. Die wichtigste Botschaft: Ein Trend allein ist nicht genug.
EuroCucina 2024: „Sowohl als auch“ statt „entweder oder“
Während sich in den letzten Jahren einzelne Trends mit jedem besuchten Messestand immer deutlicher abzeichneten, wurde auf der EuroCucina 2024 schnell klar, dass es diesmal um viel mehr geht. Denn statt der gewohnten innovationsgeladenen Atmosphäre bot sich den Besucherinnen und Besuchern eine Landschaft aus Symbiosen, die keine Wünsche offen ließ. Natürlich gab es vorherrschende Strömungen, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten – doch das heimliche Motto hieß wohl „alles und mehr.“
Und so trafen die verschiedensten Materialien auf die unterschiedlichsten Formen. Das Farbspektrum reichte von Pfirsichsorbet bis Royalblau. Und die Ideen kamen aus Archiven ebenso wie von Algorithmen, von einzelnen Designern ebenso wie von Kollektiven. Die Ergebnisse wirkten vor allem eins: harmonisch – wie eine große Umarmung.
Springen Sie bei Bedarf direkt zu den einzelnen Trends der EuroCucina 2024 vor:
- Raffiniert kombiniert: Edelstahl mit Holz und Marmor
- Die ideale Alternative: Spiegel und geriffeltes Glas
- Perfekte Symbiose: abgerundete Ecken
- Sattes Royalblau und pastelliges Pfirsich: Faszination der Farben
- Zurück in die Zukunft: Archiv-Entwürfe und (Künstliche) Intelligenz
- Offen für Neues – in alle Richtungen
- Verschmelzung von Indoor und Outdoor
- Gemeinsame Sache: Mode, Interior, Küche
Ausblick: Läuft Deutschland Italien den Rang ab?
Die 8 wichtigsten Küchentrends vom Salone del Mobile und EuroCucina 2024
1. Raffiniert kombiniert: Edelstahl mit Holz und Marmor
Bereits 2022 war Edelstahl eines der beliebtesten Materialien auf der EuroCucina. Auch in diesem Jahr sorgt Edelstahl für einen Hauch Industrielook in der Küche. Die Betonung liegt auf „Hauch“, denn die Küchenhersteller kombinierten alle Arten von Edelstahl – von gebürstet bis poliert, von Silber bis Rosé – gekonnt mit vielen weiteren Materialien wie dunklem Holz oder elegantem Marmor.
Die Verbindungen von kühlem Edelstahl mit mindestens (!) einem wärmeren Werkstoff sorgt dafür, dass das Gesamtergebnis modern und zugleich wohnlich wirkt. So treffen bei eggersmann (die übrigens 2024 zum ersten Mal auf der EuroCucina ausstellten) Variationen von Edelstahloberflächen wie Black-Touch auf schönstes Eichenfurnier in Basaltschwarz. Bei Arclinea verbinden sich Edelstahlelemente mit hellem Marmor und naturbelassenem Eichenholz. Und auch bei der neuen „Novanta“-Serie von Boffi, entworfen von Piero Lissoni, sorgen Holzelemente für einen warmen Gesamteindruck.
Da Ausnahmen die Regel bestätigen, darf die dänische Marke für Metallverarbeitung vipp an dieser Stelle nicht fehlen: Die selbsttragende Modulküche „V3“ ist vollkommen mit natürlich eloxiertem Aluminium verkleidet. Dank eines vertikalen Rillenprofils und abgerundeten Ecken entstehen auf der Oberfläche raffinierte Licht- und Schattenspiele, die für eine subtile Eleganz und die nötige Portion Behaglichkeit sorgen – sogar ohne weitere Materialien.
2. Die ideale Alternative der EuroCucina 2024: Spiegel und geriffeltes Glas
Wer eine kühle, glänzende oder aufbrechende Optik mag, Edelstahl aber nichts abgewinnen kann, dem wurde auf der EuroCucina 2024 direkt eine Alternative geboten: Spiegeloberflächen und Strukturglas. Beide öffnen den Raum optisch – einerseits durch Transparenz, andererseits durch Reflexion – und lassen ihn größer, heller und weiter erscheinen.
Ob Stahl, Spiegel oder Strukturglas: Entscheidend ist die Kombination mit wärmeren Gegenspielern, wie hellem Holz oder ausgeprägt gemasertem Marmor. Denn nur so verwandelt sich ein kühler Kochplatz in einen wärmenden „Fireplace“, wie der Küchenhersteller Next125 seine Kooperation mit dem Architekturpionier Francis Kéré treffend nennt. Hier trifft Naturstein auf bronzefarbenes Spiegelglas, welches das umliegende Holz förmlich aufzusaugen scheint. „Materialien und Haptik des Raumes werden deshalb auch immer wichtiger. Sie helfen uns, in der Küche zu entspannen und den Alltag hinter uns zu lassen“, begründet Kéré seinen von der Natur und Moderne inspirierten Entwurf.
3. Perfekte Symbiose: eckige Rundungen
So wie Edelstahl das Material der Wahl auf der EuroCucina 2024 ist, so bleiben Rundungen die Hauptdarsteller bei den Formen. Aber auch hier gilt: Wer kombiniert, gewinnt. Ob italienische Küchenhersteller, wie Boffi, Modulnova oder Valcucine, deutsche Größen, wie Nolte und Next125 oder gar Möbelbrands, wie Bugatti Home oder Poliform – nahezu jeder Store und jeder Stand brillierte mit einem ausgeklügelten Mix aus Formen. Da trafen Bögen auf Quadrate, Ellipsen auf Trapeze und Kreise auf Rauten.
Um all diesen Formen einen Halt zu geben, wurden meist ein Ansatztisch als verbindendes Element gewählt. Denn, wenn es nach den Herstellern geht, scheinen diese das Must-Have in jeder künftigen Küche zu sein. Der große Vorteil: Es entsteht keine Unterbrechung. Dadurch wirkt es so, als würden sich die einzelnen Küchenelemente aneinanderschmiegen. Oder, um beim Eingangsbild zu bleiben: als würden sich die Ecken und Kanten umarmen.
4. Zurück in die Zukunft: Wie bekanntes noch besser wird
Müssen wir uns vor künstlicher Intelligenz in Acht nehmen? Wie sehen Nachhaltigkeit und Zeitlosigkeit in einer immer schneller werdenden Gesellschaft aus? Und wie wird sich Kreativität in Zukunft verändern? Im Paneltalk von V-ZUG und dem Magazin Monocle auf der EuroCucina 2024 diskutierten Designer, Architekten, Hersteller und Redakteure viele spannende Fragen. Die Antwort der Hersteller: Manchmal hilft ein Blick in die Vergangenheit, manchmal ein mutiger Blick in die Zukunft. In beiden Fällen ist es wichtig, Ideen und Entwürfe behutsam in die heutige Zeit zu übersetzen.
bulthaup zum Beispiel ließ sich von den hauseigenen Archiven inspirieren. So präsentierte der renommierte Küchenhersteller die neu gestaltete bulthaup classic KWB. Die Küchenwerkbank – eine Hommage an einen Original-Entwurf von Otl Aicher aus den 80er Jahren – verfügt in der neuen Variante über ein höhenverstellbares Deckenelement, ein integriertes Kochfeld aus dem eigenen Haus (wahlweise mit Induktion oder Gas), eine Spüle sowie einen Barista-Ablauf.
Einen progressiveren Ansatz verfolgten die Designer Cinzia Cumini und Vicente García Jiménez: Für den italienischen Hersteller Cesar entwarfen sie die Kollektion „Utopian Garden“ mit fotorealistischen, von der Natur inspirierten Designs (mehr dazu unter Punkt 7). Diese werden mittels künstlicher Intelligenz mit natürlichen Mineralien auf eine Glasoberfläche gedruckt. Das Endergebnis besticht durch eine Textur, die mit Transparenz und Transluzenz spielt und ein zusätzliches Gefühl von Tiefe verleiht. Auch Poggenpohl setzt auf moderne Verfahren und zeigte auf der EuroCucina 2024 ein Exponat, bei dem eine exklusive Flächenlichttechnik die Natursteinarbeitsplatte von innen leuchten lässt. Lichtfarbe und -intensität lassen sich individuell verändern, sodass ganz unterschiedliche Stimmungen im Raum entstehen.
Auch Gaggenau spielt mit dem Faktor Licht. Neben der unsichtbaren Induktion (alle Infos dazu gibt es in diesem Artikel) präsentierte der Hersteller luxuriöser Kücheneinbaugeräte seine neueste Generation der Vario Kühlgeräte-Serie 400. Die Besonderheit der Kühl- und Gefrierkombinationen liegt im Inneren: Ein innovatives Lichtkonzept beleuchtet oder verdunkelt automatisch einzelne Bereiche, die gerade genutzt werden. Wird beispielsweise der Salat aus einer Schublade benötigt, wird beim Herausziehen genau dieses Fach gezielt beleuchtet. Zudem kann der Kühlschrank jederzeit per Smartphone oder Tablet gesteuert und kontrolliert werden.
Die italienische Armaturenmanufaktur Gessi konzentriert sich auf ihre Kernkompetenzen – und bringt einen Hauch Dolce Vita ins Spiel: Die Multifunktionsarmatur „Vita Gessi Café“ kann nicht nur heißes, kaltes, gefiltertes, kochendes und sprudelndes Wasser liefern, sondern – typisch italienisch – auch Kaffee aus einer Nespresso-Kapsel. Das Modell wird in zwei Ausführungen und sieben verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlich sein.
All diese Innovationen zeigen: Die Rückbesinnung auf alte Werte und der entschlossene Schritt in die Zukunft schließen sich keineswegs aus. Klug kombiniert, entsteht vielmehr die gebündelte Kraft aus Tradition und Innovation.
5. Sattes Royalblau und pastelliges Pfirsich: Faszination der Farben auf der EuroCucina 2024
Nach wie vor stehen naturnahe Farbtöne wie Creme, Beige und Taupe ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Auf der EuroCucina 2024 gesellten sich jedoch auffallend häufig zwei weitere Nuancen hinzu: ein sattes Royalblau sowie ein heller Pfirsichton. Während sich die starke Präsenz des Pfirsichtons wohl damit erklären lässt, dass das Farbinstitut ausgerechnet „Peach Fuzz“ zur Farbe des Jahres 2024 gekürt hat, war das satte Blau doch eine Überraschung, die die Küchen vor Ort aber regelrecht erstrahlen ließ.
Ob Team Obst (wie bei Aster Cucine, Cucine Lube, Veneta Cucine oder Häcker) oder Königshaus (wie bei NEXT125, ARAN Cucine, Valcucine, USM Haller): Was beide Farben verbindet, ist ihre Fähigkeit, unaufdringliche Frische und ordentlich Modernität in die Küche zu bringen.
6. Offen für Neues – in alle Richtungen
Design, Technik, Materialien: Meist sind es die offensichtlichen Dinge, die uns an Küchen faszinieren. Dabei sind es im Alltag oft die kleinen Details, die darüber entscheiden, ob Vorbereiten, Kochen und Spülen reibungslos von der Hand gehen. Schubkästen und Auszüge spielen dabei eine entscheidende Rolle – schließlich kennt jeder das Ärgerpotenzial einer klemmenden Schublade.
Deshalb hat sich SieMatic entschlossen, sein Highlight von der Küchenmesse in Löhne im vergangenen Herbst auch auf der EuroCucina 2024 zu präsentieren: Den sogenannten „SecretSpace“. Alle Informationen zu dieser Neuheit finden Sie in diesem Artikel, aber kurz zusammengefasst: Das Gerät, das Ober- und Unterschränke nach dem Prinzip der „translatorischen Rotation“ gleichermaßen in Szene setzt, ermöglicht den spielerischen Übergang von der geschlossenen zur offenen Küche. Dank einer präzisen Mechanik sind die Laufeigenschaften so ruhig, dass sich die Gegenstände im Schrank trotz des Drehmoments nicht bewegen.
Dieses Prinzip hat auch die italienische Designmarke Arclinea aufgegriffen. Die Schränke der Kollektion „Inverso“ lassen sich dank eines ausgeklügelten Mechanismus ebenfalls komplett drehen. So können einzelne Elemente versteckt und andere in Szene gesetzt werden.
Auch bulthaup interpretiert auf der EuroCucina 2024 die Schublade neu: Eine modulare Kücheninsel mit Edelstahlplatte, Stahlfüßen und Massivholzverkleidung ist per se schon eine Neuheit im bulthaup Programm. Doch das Besondere steckt im Verborgenen: Denn die Eckschubladen lassen sich in zwei Richtungen ausziehen, sowohl nach vorne als auch zur Seite. Gerade bei einer Kücheninsel, an der von allen Seiten zubereitet wird, kann das viele Kochvorgänge erleichtern. Insbesondere, wenn mehrere Personen gemeinsam kochen.
7. Verschmelzung von Indoor und Outdoor auf der EuroCucina 2024
Sanft, aber unaufhaltsam bahnte sich die Küche ihren Weg aus dem geschlossenen Raum, hinein in den Lebens- und Wohnbereich. Längst dominieren offene Grundrisse die innenarchitektonische Gestaltung. Fakt ist: Die Übergänge zwischen den einzelnen Räumen werden fließender, verschmelzen immer mehr zu einer Einheit. Ähnliches scheint nun auch mit Indoor und Outdoor zu geschehen, denn immer mehr Hersteller heben diese Kategorisierung auf.
So lassen sich Duscharmaturen sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich einsetzen (gesehen z.B. bei GROHE), Stühle und Sofas bestehen zwar je nach Einsatzgebiet aus unterschiedlichen Materialien, bestechen aber durch identisches Design und Muster (z.B. bei Kartell) und auch die bereits erwähnte Küchenfront mit exotischem Naturdruck des italienischen Küchenherstellers Cesar bestätigt diese Annäherung.
Und nicht zuletzt haben Outdoor-Küchen ihren Ruf als „Grillstationen“ endgültig abgelegt – von Poliform über Ernestomeda bis Arredo3 zeigen zahlreiche Hersteller, wie Küchen im Freien in Zukunft aussehen werden: Die Materialien sind robust und langlebig, Ausstattung und Technik orientieren sich an der professionellen (Innen-)Gastronomie, das Design ist einladend und architektonisch zugleich. Kurzum: Außenküchen werden zu variablen Räumen, in denen Gäste empfangen, gekocht, gegessen, aber auch gearbeitet, entspannt und geplaudert werden kann. Genau wie Indoor.
8. Gemeinsame Sache: Mode, Interior, Küche
Versace, Hèrmes, Dolce&Gabbana, Gucci, Armani: Die Liste der Modemarken, die sich im Laufe der Jahre dazu entschlossen haben, auch Einrichtungsgegenstände zu entwerfen, ist lang. Wenn man kurz darüber nachdenkt, ergibt das auch Sinn – sind doch die Werte wie Handwerkskunst und Designaffinität die gleichen. Im vergangenen Jahr hob Elie Saab Maison das Konzept des „Total Living“ auf eine neue Ebene und präsentierte in Zusammenarbeit mit dem italienischen Hersteller SCIC auch Küchen.
Gebündelt in einer Metropole wurde auf der EuroCucina 2024 deutlich: Das ist mehr als eine Sortimentserweiterung. Es ist ein Bekenntnis: Küchen, Interior und Mode – sie alle sind Ausdruck der Persönlichkeit, ein Stück Kunst im individuellen Alltag und zusammen laufen sie zur Höchstform auf. Ob als gewollter Kontrast oder harmonische Einheit, bleibt dabei jedem selbst überlassen.
Ausblick: Läuft Deutschland Italien den Rang ab?
Bisher gaben Mailand und die alle zwei Jahre stattfindende EuroCucina den Takt für die Trends vor. Doch die corona-bedingte Pause scheint die Verhältnisse etwas verschoben zu haben. Viele deutsche Hersteller zeigten während der Messewoche ihre Highlights des vergangenen Jahres – Neuheiten also, die bereits auf der Küchenmeile in Ostwestfalen im Herbst 2023 zu sehen waren. Hat Deutschland also die Trend-Oberhand gewonnen?
Auffällig war auch, dass auf der EuroCucina 2024 viele Prototypen, Studien oder Pilotphasen gezeigt wurden. Das kann nun bedeuten, dass die Hersteller mehr mit den Endverbraucherinnen und Endverbrauchern kommunizieren wollen. Die Hersteller zeigen also ihre Idee, warten in Mailand auf Feedback und setzen dieses direkt um, so, dass das Endprodukt bei Markteinführung bereits perfekt ist. Eine andere Interpretation wäre die folgende: Auch die Küchenproduzenten spüren den Innovationsdruck. Haben sie gerade in Ostwestfalen ihre Neuheiten vorgestellt, wird ein halbes Jahr später in Mailand schon wieder Innovatives erwartet. Mit Prototypen versuchen die Marken zu sagen: Wir sind dran – aber lasst uns noch etwas Zeit. Die endgültigen Ergebnisse? Die gibt es dann wieder im Herbst – in Deutschland.
Vielleicht ist es aber auch so, wie mit den Küchentrends der EuroCucina 2024: Es ist nicht entweder Italien oder Deutschland. Es ist ein Sowohl-als-auch. Und diese Verbindung spornt zu neuen Höchstleistungen an.