SieMatic zählt zu den ältesten Luxusküchenherstellern Deutschlands. Das merkt man der Marke mit seiner neuesten 180°-Wende nicht mehr an: jung, dynamisch und farbenfroh zeigt sich das Unternehmen nun; dabei gleichzeitig so lässig wie elegant. Der „Turn Around“ impliziert aber auch Fallstricke: schafft SieMatic es, eine neue Zielgruppe an sich zu binden? Und welche Modelle ersetzen die bisherigen Stilrichtungen URBAN, PURE und CLASSIC?
Paukenschlag 2021: SieMatic erfindet sich neu
Im März diesen Jahres gab es einen Paukenschlag, der – völlig untypisch für Paukenschläge – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit verlief. SieMatic hat sich über Nacht neu erfunden. Damit gemeint ist nicht die übliche Redewendung, die genutzt wird, wenn eine Band ein neues Konzeptalbum veröffentlicht und dennoch in der gleichen Besetzung weitermacht. Oder eine Küchenmarke beschließt, ihr Portfolio nun auch um Wohn- und Badmöbel zu erweitern. Neu erfunden bedeutet in diesem Fall tatsächlich: das SieMatic von früher gibt es nicht mehr.
Marke in chinesischer Hand: ein schleichender Prozess über mehrere Jahre
Im Nachhinein könnte man sagen, dass man all das hat kommen sehen. Der schleichende Prozess, der aus dem 1929 im ostwestfälischen Löhne gegründeten Familienunternehmen eine globale Küchenmarke mit mehrheitlich chinesischen Anteilseignern gemacht hat, fand im Jahr 2017 seinen vorläufigen – klammheimlichen – Höhepunkt. Bereits da war Branchenkennern klar, dass die Nison-Gruppe, ein Hausgerätegigant aus Fernost, den damaligen Familiengesellschafter und Geschäftsführer Ulrich W. Siekmann nurmehr als Gesicht der ursprünglichen Marke einbehielt, um Käuferinnen und Händler nicht zu verunsichern. Die deutsche Handwerkskunst und Traditionsmarke sollte nach wie vor im Vordergrund stehen, während im Hintergrund bereits chinesisches Kapital floss.
Im März 2020, ebenfalls weitgehend unkommentiert, wurde bekannt, dass die Nison-Gruppe auch die restlichen Anteile an SieMatic übernahm und Siekmann damit als Oberhaupt der Familienmarke ausschied. Kundinnen und Käufer dürften davon im Coronajahr kaum etwas bemerkt haben. Die Hausausstellung in Löhne blieb im Messeherbst geschlossen, das Unternehmen bereitete sich wohl da schon auf die ganz große Transformation vor.
Die 180°-Wende von SieMatic: jung, dynamisch, farbenfroh – und mit einem Abschied auf Zeit
Und doch kommt das, was SieMatic nun verkörpert, einer 180°-Wende gleich. Das neue Marken-Image: selbstbewusst, abwechslungsreich, ja sogar farbenfroh. Im Gegensatz zur unerschütterlichen alten Traditionsmarke, die sich einer stillen Eleganz und einem erhabenem Purismus verschrieben hatte, wirkt das neue Luxuslabel – man muss dieses Wort bemühen – geradezu quirlig. Ein unverkennbarer frischer Wind weht in den Produktionshallen von SieMatic in Löhne. Immer noch hochwertig, keine Frage. Aber eben auch: jung, dynamisch und weniger komplex.
Die drei Archetypen der SieMatic-Küche, ein jahrelang hochgehaltenes Konstrukt und für den geneigten Käufer gut greifbar in der Auswahl seiner Küche, sind über Nacht verschwunden. CLASSIC, URBAN und PURE gibt es nicht mehr. Damit ist auch der Dreiklang von völlig unterschiedlichen, aber gleichsam hochwertigen Küchenstilen verschwunden. Die neuen SieMatic-Serien unterscheiden sich in ihrer Preisklasse und damit auch Zielgruppe deutlicher als bisher. Doch dazu später mehr.
Modelle CLASSIC, URBAN und PURE scheinen auszulaufen
Die ehemalige CLASSIC-Serie mit ihrem opulenten Landhausstil und den verschnörkelten Gestaltungselementen ist gänzlich aus dem Repertoire der Luxusküchenmarke verschwunden. Wer gezielt danach sucht, findet ein letztes Bild der Kollektion in der Inspirationsgalerie wieder. Es ist ein Abschied auf Zeit.
Der klug durchdachte Kräutergarten der URBAN, die offenen Holzregale, der gekonnte Wechsel aus dicker Steinplatte und griffloser Mattlackfront: verschwunden und irgendwo zwischen den neuen Modellen der SieMatic SC/SE und SLC aufgegangen.
Die PURE wiederum ähnelt der neuen SieMatic S2, was die Eleganz und Geradlinigkeit der Modelle angeht. Sie wird über kurz oder lang vermutlich von eben diesem Modell oder aber der SLX abgelöst werden.
Auch die ikonische S29, das wiederaufgelegte Küchenbuffet aus den Anfangsjahren des Unternehmens, findet sich nicht mehr auf der Homepage von SieMatic wieder.
Neue Homepage von SieMatic: bunte Bildwelt, nüchterne Schrift, neues Logo
Überhaupt, die Homepage! Wo vorher gedeckte Farben in Anthrazit, Beige und Weiß übersichtlich und stilvoll dominierten, erwartet Besucherinnen und Besucher nun eine fast schon schrille Welt aus großformatigen Bildern, serifenloser, simpler Schrift und Küchen, die man so nicht gewohnt ist von SieMatic.
Diese Veränderung ist auch auf dem Instagram-Kanal der Marke zu verfolgen: punktgenau am 1. März 2021 hat sich die Bildsprache durchaus abrupt verändert. Weg von luxuriösen Inneneinrichtungsideen, haptisch hochwertigen Nahaufnahmen und der gewohnt geruhsamen Farbwelt hin zu ungewöhnlich intensiven Nuancen in Gelb, Grün, Dunkelblau und Lila, die mit Statement-Posts und Rückblicken auf alte Modelle unterfüttert werden.
Selbst vor dem klassischen Logo hat die Veränderung nicht halt gemacht. ‚S‘ und ‚M‘ als Anfangsbuchstaben für SieMatic sind nun kaum lesbar ineinander verschlungen. Der Vergleich mit dem Logo des Luxustaschenherstellers Louis Vuitton drängt sich auf – nur, dass die ikonischen Buchstaben hier noch gut lesbar und als tausendfach abgedrucktes Emblem mittlerweile weltbekannt sind. Bei SieMatic dürfte das unwesentlich schwerer werden, ist das Logo für Laien doch wirklich nur noch schwer erkennbar.
Die neuen Modelle von SieMatic für 2021/22: SLX, SLC, S2 und SC/SE
Dennoch: früher war nicht alles besser. Die Neuausrichtung der Küchenmarke bietet Händlern wie auch Kundinnen künftig mehr Gestaltungsspielraum. Noch ist unklar, ob die ehemals führende Kollektion SieMatic Pure in einer der neuen Küchenserien aufgeht oder parallel bestehen bleibt.
SieMatic SLX
Die neue Hierarchie von SieMatic-Küchen sieht nun jedoch vor: als High End-Modell und „bestes Pferd im Stall“ gilt künftig die SieMatic SLX, die bereits 2020 parallel zu den bisherigen Kollektionen eingeführt wurde. „Für moderne Ästheten und Designliebhaber“ überschreibt SieMatic die Serie, die mit ihrer dezent abgesetzten und beleuchteten Griffmulde sowie ihrer skulpturalen Architektur das Nonplusultra im Küchenraum darstellen soll.
Das mehrfach mit Designpreisen ausgezeichnete Küchenkonzept der SieMatic SLX zeichnet sich durch wertvolle Materialien und edle Präzision aus.
SieMatic S2
Ebenso hochwertig, aber deutlich simplizistischer konstruiert ist die SieMatic S2. Sie besitzt einen glatten, geradlinigen und horizontal verlaufenden Charakter, der sich auch im Maserungsverlauf der Fronten – beispielsweise aus gebürstetem, roséfarbenem Edelstahl – wiederfindet. Auch die S2 setzt auf eine Griffmulde anstelle von Knöpfen oder Griffen, die allerdings im Gegensatz zur SLX deutlich hervorgehoben ist. Die Abstände zwischen den Frontschubladen sind größer gewählt, was dem Modell eine geometrische Präzision verleiht. „Für Kenner auf der Suche nach Perfektion“ überschreibt das Unternehmen diese neue Serie.
SieMatic SLC
„Für Individualisten in kreativen Lebensräumen“ ist die SieMatic SLC angedacht, und das kann nun tatsächlich alles Mögliche bedeuten. Denkbar ist, dass die SLC Einsteigerinnen und Erstlingskäufer ins gehobene Küchensegment ziehen soll. Die Fronten verlaufen durchgängig ohne äußere Schubladen-Unterteilung, was dem Modell einen vertikalen, simplen Charakter in hochwertiger Ausführung verleiht. SieMatic betont die „flexiblen und belastbaren“ Materialien aus Kunststoff und Primeboard, letzteres eine Spanplatte mit extrem haltbarer Mehrschichtlackierung, die erschwinglich ist und dennoch eine hohe Farbstabilität garantiert.
Das zurückhaltende Design der SieMatic SLC soll als „kreative Bühne“ für den Menschen dienen und lädt dazu ein, die Luxusküchenmarke SieMatic auch für kleineres Geld kennenzulernen.
SieMatic SC/SE
Den gewohnten Dreiklang aus Basis-, Komfort- und Premiummodell unterbricht SieMatic mit der vierten Kollektion SC/SE. Dieses Modell lässt sich nicht so recht einordnen: es erinnert mit seinen sehr feinen, sehr schmal ausgekerbten Rahmenfronten im Entferntesten an den Landhausstil und damit an die alte CLASSIC-Kollektion, wird jedoch durch verzinkte und gepulverte Stahlgriffe und hochwertige Arbeitsplatten – beispielsweise aus Keramik – hochwertig abgerundet.
Eine faszinierende Serie, die von den Spannungsfeldern aus Alt und Neu lebt und von SieMatic mit „Für Menschen, die Kontraste lieben und Gegensätze anziehend finden“ überschrieben wird. „Subtil trifft auf expressiv, Tradition auf Moderne“ formuliert es der Premiumküchenproduzent.
Eine Balance wird durch warme, beruhigende Farben und die minimalistische Ausführung der Küchenzeile sowie den zurückgesetzten Küchensockel erzeugt. Ein ästhetisches Modell, das möglicherweise die ehemalige CLASSIC-Serie auf ihre bisher schönste Bühne zurückführen dürfte.
Was ist sonst noch neu bei SieMatic 2021?
Einen bewussten Bruch mit der Tradition geht die neue Marke SieMatic auch in der Auswahl an Farbtönen und Materialien ein. Wo sich vorher dunkel geräuchertes Holz, goldene Metallic-Akzente und schwarz angehauchtes Rauchglas zu einem ästhetischen Understatement verwoben haben, herrscht nun farbenfrohe Anarchie – nun ja, zumindest teilweise.
Natürlich setzt der Premiumküchenhersteller noch immer auf hochwertige Naturmaterialien wie Holz, Stein und Edelstahl. Lacke und Keramik finden sich ebenfalls im Repertoire von SieMatic wieder. Aber eben auch: Oberflächen in Rosé, Mintgrün, Lila, Hellblau und Karamell.
Fazit: Stolpersteine auf dem Weg einer spannenden Transformation
Es wird in den kommenden Monaten unheimlich spannend sein, SieMatic bei dieser Transformation zuzuschauen. Zu beobachten, ob die Marke den 180°-Wandel unbeschadet übersteht; ob die luxuriöse Eleganz, mit der rund 80 % der in Deutschland produzierten SieMatic-Küchen ins Ausland exportiert werden, sich mit Farbe und neuen Formen mischen darf oder bei ausländischen Käuferinnen und Käufern durchfällt.
Klar ist, dass noch einige Stolpersteine diesen neuen Weg säumen. Das fängt bei der Website an, deren Schrift bisweilen unkoordiniert und viel zu groß wirkt, oder bei der Website-Links auf Deutsch ins englische Nirgendwo laufen. Bis zur Hausmesse im September 2021 in Löhne bleibt nicht mehr viel Zeit, um sich Kundinnen und Händlern im neuen Maßanzug zu präsentieren.
Immerhin stehen wohl in der Ausstellung alle Zeichen auf Neuanfang, und schon jetzt darf man mit einem großen Besucherandrang rechnen. Der zweite Paukenschlag für SieMatic 2021 – er dürfte definitiv auf ein größeres Echo treffen und seine Wellen gen Zukunft schlagen.
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