Alle reden vom Smart Home und intelligenten Küchengeräten – und auch Amazons Sprachassistentin Alexa redet uns ins Gewissen rein. Kommen wir zukünftig noch ohne smarte Geräte aus, wo liegen die Probleme in der Benutzung – und wo die Chancen für unseren Haushalt der Zukunft? Wir haben die Fakten für Sie zusammengetragen.
Was heute schon alles mit dem Smart Home möglich ist
Wie werden wir in Zukunft leben? Diese Frage hat seit jeher Generationen von Menschen bewegt. Stets das Ziel dabei: Das Leben und den Alltag angenehmer, komfortabler, einfacher zu machen – durch Hilfe von Technik. Was früher die Umstellung von mechanischen auf automatische Fensterheber im Auto war, wird heute unter dem Begriff „Smart Home“ in viel größeren Bahnen gedacht. Seit Jahren beschäftigen sich Messen und Gerätehersteller mit diesem Thema, die Möglichkeiten scheinen schier endlos zu sein.
Mittlerweile kann der geneigte Smart Home-Nutzer noch von der Arbeit aus den Einkauf per App erledigen, im Kühlschrank dank digitaler Fotografie überprüfen, was noch da ist oder den Temperaturregler der Heizung an die Raumtemperatur angepasst hochfahren. In der Wohnung angekommen, kann er per Sprachbefehl dem smarten Sprachassistenten Amazons, Alexa, befehlen, die Lieblingsmusik aufzulegen, das Licht sanft hochzufahren und den Zustand des Backofens zu überprüfen.
Die Zukunft des „Internets der Dinge“
Das sogenannte „Internet der Dinge“ (Internet of Things, IoT), ist nach wie vor auf dem Vormarsch. Es bezeichnet die Vernetzung von Geräten mit dem Internet, die sich für den Endverbraucher wiederum über Smartphones und smarte Apps bedienen lassen. Einer Studie von eco und ADL zufolge sollen die Smart-Home-Umsätze sich bis 2022 auf 4,3 Milliarden Euro verdreifachen; Interesse bestehe vor allem in den Segmenten Energiemanagement, Licht- und Fenstersteuerung, Sicherheit und Zugangskontrolle sowie Unterhaltung, Gesundheit und Haushaltsgeräte.
Das Smart Home ist heute greifbarer und intelligenter denn je, wirft aber Jahre nach Markteinführung des Begriffes immer mehr Fragen auf: Warum entwickelt sich das Nutzerinteresse daran so langsam? Wohin führt das Smart Home und was macht es mit uns? Und: Braucht es alle Funktionen des Smart Homes wirklich?
Problem 1: Wir nutzen unser Smart Home nicht – oder nicht genug
Einer zweiten repräsentativen Umfrage zufolge, dem „Smart Home Monitor 2017“ des Marktforschungsinstituts „Splendid Research“, nutzen zwar bereits 36% der Deutschen die Anwendungen des Smart Homes, allerdings schöpfen sie dessen Potenzial nicht aus. 55% der Nutzer war der Besitz einer Anwendung, beispielsweise den Sprachassistenten des eigenen Smartphones, zunächst gar nicht bewusst. „Angesichts dessen dürften in vielen Fällen die technischen Möglichkeiten der Anwendungen allenfalls im Ansatz ausgereizt werden“, gibt Studienleiter Thilo Kampffmeyer zu bedenken.
Eine weitere Zahl macht sich ebenfalls im Siegeszug des Smart Homes bemerkbar: Jeder vierte Deutsche lehnt die Nutzung dessen bisher noch ab. Die Top 3 der Sorgen und Befürchtungen, die zu einer Ablehnung des Smart Homes führen, sind laut der Studie Angst um die eigene Privatsphäre (55,8%), die Inkompatibilität der Geräte (46,0%) und der Furcht vor Hacker-Attacken (33,8%) geschuldet.
Problem 2: Unübersichtlichkeit des Marktes – Sprachassistenten helfen
Tatsächlich ist die Situation auf dem Markt noch sehr unübersichtlich, was die Vorbehalte der Verbraucher stärkt bzw. ihre Kaufkraft hemmt. Viele Anbieter kochen noch ihr eigenes Süppchen und machen es dem Verbraucher schwer, aus einer einheitlichen Quelle, beispielsweise einer App, die gesamten Haushaltsabläufe smart steuern zu lassen. Stattdessen muss der Kunde zwischen den verschiedenen Anwendungen hin- und herwechseln, die im besten Falle noch kompatibel mit dem Gerät sein müssen.
Hier hat auch das IoT (Internet der Dinge) dazugelernt. Mit einem Mix aus smarten Geräten und den neuen Sprachassistenten von Google und Amazon können nun mehrere Geräte unterschiedlicher Hersteller aus einer Hand bedient werden. Die Vernetzung untereinander, also z.B. von Temperatur- und Lichtsensoren oder Beschleunigungsmessern, gelingt stimmiger – und dank der natürlichen Spracherkennung sinkt die Hemmschwelle von Benutzern, sich mit dem Steuern der Geräte auseinanderzusetzen.
Doch auch, wenn man die Geräte bedienen kann, stellen sich die Fragen: Ist das noch praktisch? Braucht man das?
Problem 3: Bequemlichkeit vs. Nützlichkeit
Die Trendforscherin und Referentin Oona Horx-Strathern, CEO des ZUKUNFTSINSTITUTS und selbst Besitzerin eines „Future Evolution House“, beschäftigt sich seit Jahren mit der Entwicklung des Smart Homes und dem Verhältnis von Emotionen zu Technologie. Sie sagt, dass der Schlüsselbegriff „Social Smartness“ eine zwiegespaltene Rolle einnehme – zum einen solle die Technologie unser aller Leben vereinfachen, zum anderen dürfe sie das Zusammenleben nicht isolieren.
Wer von der Arbeit aus bereits den Kühlschrankinhalt studiert und daraufhin Einkäufe bestellt hat, ahnt ja nicht, dass es der Partner vielleicht gleichtut – die direkte Kommunikation entfalle. Hinzu komme, dass Menschen so richtiggehend faul werden würden, so Horx-Strathern: Man laufe nicht mehr in den Keller, um nach der Wäsche zu schauen oder zum Kühlschrank, um den Inhalt zu prüfen – dafür kann man ja Amazons Sprachassistentin Alexa fragen.
Horx-Strathern warnt, dass es durch zu smarte Hausgeräte zu einer regelrechten „Verhausschweinung“ kommen könnte – die zu alledem noch überflüssig sei. Und tatsächlich muss man zwar zugeben, dass einige Erneuerungen, die das Smart Home mit sich bringt, durchaus zu Sicherheit und Energieeffizienz beitragen, wiederum andere jedoch allein der Bequemlichkeit dienen. Um in den Kühlschrank zu schauen, ist es immer noch am einfachsten, rasch die Tür zu öffnen – zumal die installierten FridgeCams und Einkaufslisten aktuell noch unzureichend nur einen Teil des Kühlschrankinhalts abbilden können.
Problem 4: Smart bedeutet auch teuer
Die Liste könnte man endlos weiterführen: Kann ich die Kaffeemaschine morgens nicht auf dem Weg zum Badezimmer anstellen und ihn währenddessen aufkochen lassen? Warum soll ich abends auf dem Nachhauseweg den Backofen anstellen, wenn ich morgens nichts hineingeschoben habe – und auch noch ein Stück zum Vorbereiten der Mahlzeit zuhause brauche? Und kann ein einfacher Lichtschalter nicht simpel per Knopfdruck betätigt werden – statt per Klick aufs Handy?
Doch all diese Annehmlichkeiten des Smart Homes sind oftmals nicht mehr als eine Spielerei und angesichts der oft noch stolzen Preise für intelligente Haushaltsgeräte fragwürdig. Laut einer repräsentativen Umfrage von YouGov im Auftrag von COQON sind für fast jeden Zweiten (49%) der Generation Y (die 18-35-Jährigen und damit besonders technik-affin) Smart Home-Lösungen zu teuer. Auch im gesamten Bevölkerungsdurchschnitt haben immer noch 42% der Menschen Vorbehalte, was die Kosten angeht – erstaunlicherweise vor allem seitens der Männer mit 45% gegenüber den Frauen mit 40%.
Die Lösung: Sicherheit statt Spielerei
Kai Schiller vom Onlinemagazin Home & Smart erklärt, es werde für das Smart Home noch mehr Aufklärungs- bzw. Marketingarbeit benötigt, damit durch Apps nicht nur der Fernseher bedient oder das Licht angemacht werde. Vielmehr müsse das Thema Sicherheit in den Vordergrund rücken, das laut dem „Smart Home Monitor 2017“ mit 39,1% immerhin bereits auf Platz 2 der Top-Anschaffungsgründe liegt (Platz 1: Komfort mit 63,9%, Platz 3: Spaß mit 31,6%).
So kann ein clever vernetztes Smart Home-Steuergerät beispielsweise durch Sensoren ein offenstehendes Fenster erkennen und per Signal das Thermostat der Heizung anweisen, die Wärmezufuhr herunterzufahren. Auch in Sachen Brandschutz, Kindersicherung oder Einbruchsvermeidung helfen smarte Sensoren bereits per Piepston, vor drohenden Gefahren rechtzeitig zu warnen oder kontrollieren regelmäßig und fehlerfrei die Geräte in der leerstehenden Wohnung, wenn man beispielsweise im Urlaub ist.
Ob man dort auch vor vergammelndem Fleisch im Kühlschrank gewarnt werden möchte, obwohl man akut nicht handeln kann, muss jeder selbst entscheiden – Fakt ist: Das Smart Home bietet große Chancen für die Küche der Zukunft. Aber auch Grenzen. Wer sich zukünftig komplett vernetzen möchte, muss dafür enorme Vorkehrungen treffen – und nicht zuletzt ein Auge auf das Thema Datenschutz haben, an dem die Hersteller gerade noch intensiv arbeiten.