Eine simple Idee schön umgesetzt: Hunderte fremde Menschen kleiden sich vollkommen in Weiß und picknicken miteinander unter dem Sternenhimmel. Es gibt viele Besonderheiten an einem „White Dinner“: Dazu gehört auch, dass die kommerzielle Version einfach nicht klappen will.
Weiß, so weiß sind alle meine Kleider
Zartweiße Blütenknospen ranken sich in Blumenvasen auf den porzellanweiß gedeckten Tischen, fein bestickte Stoffservietten in Cremeweiß versprechen ein festliches Arrangement, der tiefblaue Nachthimmel funkelt mit tausend hellen Sternen über dem Geschehen. Rund um die üppig bestückten Tische haben sich Menschen versammelt, viele Menschen sogar. Sie kommen zu zweit oder in Grüppchen, setzen sich zueinander, lernen sich kennen, reden und lachen und essen den ganzen Abend miteinander. Aber sie haben alle eines gemeinsam: Die blütenweiße Kleidung! Da sieht man luftige weiße Sommerkleider wie aus einer Raffaello-Werbung, lockere beige-weiße Leinenhosen, leger geknüpfte weiße Baumwollblusen, schlichte weiße T-Shirts und helle Strohhüte.
White Dinner: Ein Picknick mit Fremden und Freunden
Wir befinden uns auf einem „White Dinner“, einer Art Massenpicknick für Freunde, Familien und Freundesfreunde, die allesamt von Kopf bis Fuß weiß gekleidet sind und sich mit prall gefüllten Picknickkörben und Klapptischen kostenfrei an prominenten städtischen Orten verabreden, um dort den Abend miteinander zu verbringen. Das Event wird meist auf eine Privatinitiative hin abgehalten und verkündet sich dank sozialer Medien in rasanter Geschwindigkeit, sodass die bis zuletzt geheim gehaltenen Örtlichkeiten für alle zugänglich werden. Teilnehmen kann also jeder, der weiß gekleidet ist und etwas zum Essen und Trinken mitbringt. Die Veranstaltung rühmt sich damit, in Zeiten teurer Restaurantbesuche und Eintrittsgelder nicht kommerziell zu sein und sich auf eine der ursprünglichsten Formen des Zusammenseins, dem einfachen Picknick mit mitgebrachtem Essen, zu besinnen. Die Küche wird nach draußen verlagert, und zwar nicht nur in den eigenen Vorgarten, sondern
Der Ursprung beim Dîner en blanc in Paris
Seinen Ursprung hat das White Dinner im französischen Counterpart „Dîner en blanc“, weswegen manche Veranstaltungen hierzulande sich ebenfalls an diesen Namen anlehnen. Natürlich, die romantischen Franzosen. Angeblich gab es das erste, eher unfreiwillige Dîner en blanc, als ein gewisser Francois Pasquier seine überfüllte private Gartenparty spontan in einen nahe gelegenen Pariser Park überführte. Seitdem treffen sich jedes Jahr im Juni Tausende von Menschen in Paris an bis zuletzt geheimgehaltenen Orten, um eine Veranstaltungsanmeldung zu umgehen. Gemeinsames verschwörerisches Kennzeichen: Die weiße Kleidung. So wirklich heimlich ist das Diner en blanc dann allerdings doch nicht mehr, zieht es die Anhänger doch jedes Jahr zu immer festlicheren Örtlichkeiten: dem Place de la Concorde, dem Innenhof des Louvre oder gar den Alleen der Champs-Élysées. Immer dabei: Weiße Klamotten und ein Picknickkörbchen.
Zugegeben, vermutlich ist es genau das, was die zahlreichen Großstädter begeistert zum White Dinner strömen lässt. Die Einfachheit der Speisen, das Kostenlose, Selbstgemachte, Mitgebrachte Essen, das spontane Gettogether im Großstadtdunstkreis, das sich ziemlich verbunden mit der Natur anfühlt. Mittendrin statt nur dabei, aber dann bitte im Park gleich fußläufig neben der U-Bahn oder an einem prominent ausgeleuchteten Spot der Stadt. Dafür gibt’s dann eben Aufbackbrötchen vom Discounter und selbst angerührte Guacamole-Dips, angeröstete Falafelbällchen und kleine Tapas zum Snacken. Vom allem etwas, bunt gemischt und schon fast kosmopolitisch. Und das übrigens unter freiem Sternenhimmel.
White Dinner: Kostenlos oder kommerziell?
Der Trend zum White Dinner/ Dîner en blanc wurde schnell in anderen europäischen Großstädten aufgegriffen, deren Kulissen ebenfalls große städtische Bauwerke und damit schon fast märchenhaft schön sind: In Hamburg auf der Wiese unter dem runden, gemütlichen Wahrzeichen des Michels, in Berlin in der beeindruckenden Kulisse des Gendarmenmarkts und in München gar im Herzen der Stadt, auf dem Marienplatz. Zwischen 800 und 2000 Leuten versammeln sich hier friedlich und feiern den Sommer, die Sonne und den freien Nachthimmel, kostenfrei und freiwillig zugleich.
Doch auch außerhalb Europas hat der Trend um sich gegriffen: Sydney, New York, Mexiko City, Tel Aviv, Montréal, Chicago, Johannesburg und viele weitere Metropolen feiern das „Dîner en blanc“ an berühmten Sehenswürdigkeiten und großen Schauplätzen ihrer Stadt. Auf den Fotos sieht man vor allem viele fröhliche, lachende Gesichter, die mit selbstgebackenem Kuchen und frisch entkorktem Wein hantieren, Speisen abgeben, Flaschen teilen, für einen Abend mit der halben Stadt befreundet sind. Es sind beeindruckte Bilder schöner Menschen und schöner Abende.
Auf Erfolg folgt Kommerzialisierung
Wie immer beginnen jedoch bei erfolgreichen kostenlosen Veranstaltungen die Augen findiger Unternehmer an zu leuchten: So führte Hamburg 2014 ein „Dinner in White“ durch, für das eine gesamte Straße gesperrt und der Verkehr umgeleitet werden mussten. Mit mehreren tausend Teilnehmern war dies kaum anders organisierbar – allerdings eben leider auch weit weg von der Ursprungsidee der spontanen Versammlung. In München sprangen die Organisatoren ebenfalls auf den Zug auf und kündigten 2014 den kommerziellen Ableger zum Marienplatz an, das „White Dinner“ auf der Galopprennbahn in Riem. Das Resultat: Eine chaotische Organisation ohne Sitzplätze und Einlasskontrolle, lange Warteschlangen, rasch verteiltes Fast-Food und sichtlich genervte Leute. Der Gedanke, dass der Sternenhimmel und etwas Live-Musik die Menschen zu Gemütlichkeit und Naturverbundenheit anstiften würde, schlug fehl. Denn dazu gehört eben immer noch: Etwas Selbstgemachtes und Mitgebrachtes.
Hier zeigen wir Ihnen die schönsten Impressionen des „White Dinners“/ „Dinner in White“/ „Dîner en blanc“ weltweit: