Siebträgermaschine: aus Liebe zu Kaffee, Handwerk und Ästhetik

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Guter Kaffee trifft gutes Design: Einer Siebträgermaschine wird nicht nur der perfekte Espresso nachgesagt, ihre ikonische Optik macht sie in vielen Wohnungen auch zum exponierten Designobjekt. Was unterscheidet sie vom Kaffeevollautomaten und welches ist das ideale Einsteigermodell? Wir haben einen ausgebildeten Barista gefragt.

Sven Altemöller war schon immer fasziniert von der perfekten Tasse Kaffee. Diese suchte er schon an vielen Orten der Welt: im Wiener Kaffeehaus als Melange, in Melbourne als Flat White oder in den italienischen Kaffeebars als klassischen Espresso. Während seiner internationalen Kaffeestudien stellte er fest: Wo guter Kaffee ist, ist eine Siebträgermaschine meist nicht weit. Um dem Rätsel des perfekten Kaffees näher zu kommen, ließ sich der studierte Eventmanager als Barista ausbilden und ist mittlerweile Experte an der Siebträgermaschine. Wir haben den Kaffee-Enthusiasten aus Hannover zum Interview getroffen.

Die Siebträgermaschine: „Dolce Vita“ und ehrliches Handwerk

Herr Altemöller, was macht für Sie eine gute Tasse Kaffee aus?

Technisch gesehen muss die Temperatur stimmen, damit man beim Trinken nicht gehetzt wird: Der Kaffee sollte gerade so heiß sein, dass man ihn direkt genießen kann – dies jedoch in Ruhe, ohne, dass er zu schnell erkaltet. Auch das Verhältnis von Milch und Kaffee ist entscheidend. Fast genauso wichtig ist aber, dass die Atmosphäre passt: eine gute Tasse Kaffee ist wie eine Auszeit vom Alltag. Ich erinnere mich an viele schöne Momente mit Freunden und Familie, in denen Kaffee eine zentrale Rolle gespielt hat. Ein guter Kaffee muss handwerklich gut gemacht, aber auch sinnlich sein.


Wo haben Sie den besten Kaffee Ihres Lebens getrunken?

Auf den Geschmack kam ich, als ich zum ersten Mal bei einer Melange in einem Wiener Kaffeehaus saß – eine Offenbarung für alle Sinne. Der Ober mit seinem Wiener „Schmäh“, die schöne, alte Architektur, die ganze Kaffeekultur. Hier wurde ich neugierig auf die großen, hochästhetischen Siebträgermaschinen hinter der Theke und meine Leidenschaft für den ultimativen Kaffee war geweckt.

Warum gibt es so einen Hype um Siebträgermaschinen?

Mich begeistert an der Kaffee-Zubereitung mit der Siebträgermaschine besonders der handwerkliche Aspekt: Man erschafft etwas mit den eigenen Händen. Sicherlich gehört viel Vorbereitung und Hintergrundwissen dazu, aber die Zubereitung ist im Vergleich zu anderen handwerklichen Projekten kurzweilig. Die Siebträgermaschine trifft damit den Zeitgeist des „Selbermach-Trends“und trägt der Hinwendung zur bewussten Ernährung Rechnung. Ein Faktor ist sicherlich auch das ikonische, italienische Design, das das „Dolce Vita“-Lebensgefühl ins eigene Zuhause holt.

Siebträgermaschine vs. Kaffeevollautomat: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Espresso, Cappuccino, Macchiato: Welche Zubereitungsarten sind mit einer Siebträgermaschine möglich?

Prinzipiell ist jede Kaffeespezialität möglich, die auf Espresso – oder verkürzt als Ristretto (höher konzentrierter Espresso mit der gleichen Menge Kaffee, aber halb so viel Wasser) – basiert.  Neben dem klassischen Espresso, Cappuccino oder Caffè Latte sind auch Spezialitäten wie der australische Flat White möglich: Dieser basiert auf einem doppelten Ristretto mit feinporigem Schaum, der flüssiger als beim Cappuccino ist und nicht über den Tassenrand ragt.

Feinporiger Milchschaum wie bei der australischen Kaffeespezialität Flat White eignet sich hervorragend für Latte Art, also das Verzieren der Milchschaumoberfläche mit grafischen Motiven. (Foto: Adobe Stock / chayathon2000)
Feinporiger Milchschaum wie bei der australischen Kaffeespezialität Flat White eignet sich hervorragend für Latte Art, also das Verzieren der Milchschaumoberfläche mit grafischen Motiven. (Foto: Adobe Stock / chayathon2000)

Filterkaffeemaschine, Kaffeevollautomat oder Siebträgermaschine: Welche Maschine ist für welchen Kaffee-Typ geeignet und wie unterscheiden sich die Maschinen untereinander?

Filterkaffee ist in der deutschen Kultur fest verwurzelt: Wer viele Gäste mit großem „Kaffeedurst“ hat und große Mengen davon serviert, ist mit einer Filterkaffeemaschine gut beraten. Filterkaffee ist prinzipiell nicht schlechter als Espresso – nur anders.

Eine Siebträgermaschine würde ich jedem ans Herz legen, der Lust hat, sich das Handwerk anzueignen und sich mit der spannenden Thematik Kaffee tiefergehend auseinanderzusetzen. Man kann an vielen Stellschrauben drehen und hat endlose Möglichkeiten, die Parameter bei der Zubereitung zu verändern. Man muss viel ausprobieren und darf sich nicht von anfänglichen Rückschlägen entmutigen lassen. Wenn man aber einmal die richtige Einstellung gefunden hat, der Espresso schön sämig aus dem Siebträger läuft und seine vielfältigen Aromen entfaltet, dann kann das Glücksgefühl nicht größer sein.

Der Kaffeevollautomat übernimmt all diese Vorgänge, wie der Name schon sagt, automatisch. Jedoch sollte die Maschine initial richtig eingestellt werden. Oft ist die Bequemlichkeit aber nur eine scheinbare Erleichterung: der Reinigungsaufwand ist im Vergleich zur Siebträgermaschine höher, zudem sollten Einstellungen regelmäßig justiert werden; beispielsweise, wenn man die Bohnenart wechselt. Für mich persönlich ist das Kaffee-Erlebnis mit der Siebträgermaschine schöner und wertschätzender dem Kaffee gegenüber.

Aus Liebe zur Handarbeit: die Funktionsweise der Siebträgermaschine

Wie funktioniert eine Siebträgermaschine eigentlich genau?

Das fein gemahlene Espressomehl wird im Siebträger mit Hilfe eines sogenannten „Tampers“ zusammengepresst, also „verdichtet“.

Beim “Tampern” schmiegen sich die Kaffeepartikel im Siebträger so eng aneinander, dass das Wasser nicht von alleine durchlaufen kann. (Foto: Adobe Stock / Milos)
Beim „Tampern“ schmiegen sich die Kaffeepartikel im Siebträger so eng aneinander, dass das Wasser nicht von alleine durchlaufen kann. (Foto: Adobe Stock / Milos)

Im Kupferkessel im Herzen der Maschine wird das Wasser auf die optimale Temperatur gebracht: das sind etwa 92 Grad Celsius. Bei höherer Temperatur würde der Kaffee verbrennen. Unter Druck wird das Wasser durch das verdichtete Kaffeebett gepresst. Ideal sind hier – bei hochwertigen Maschinen mit Rotationspumpe – etwa 8 Bar. Günstigere Maschinen mit einer weniger leistungsfähigen Vibrationspumpe benötigen etwas mehr Druck, etwa 10-12 Bar. Für eine optimale Extraktion kommen alle Kaffeepartikel gleichmäßig mit dem Wasser in Kontakt. Am Ende sollten ca. 20% der Bestandteile der Bohne im Getränk landen, die den guten Geschmack und die Bekömmlichkeit ausmachen.

Mit der Dampf-Lanze wird der Milchschaum zubereitet: Heißer Wasserdampf verwirbelt Milch mit Luft und macht sie so zu Schaum. Im Unterschied zu einem automatischen Milchaufschäumer kann der Anwender hier selbst kontrollieren, ob  der Schaum eher cremig, zum Beispiel für einen Flat White, oder fester, etwa für einen Cappuccino, sein soll.

Mit der Dampf-Lanze links im Bild wird der Milchschaum hergestellt: verschiedene Konsistenzen von feinporig bis fest sind möglich. (Foto: Adobe Stock / s-motive)
Mit der Dampf-Lanze links im Bild wird der Milchschaum hergestellt: verschiedene Konsistenzen von feinporig bis fest sind möglich. (Foto: Adobe Stock / s-motive)

„Einkreisige“ und „zweikreisige“ Siebträgermaschinen: Wo liegt der Unterschied?

Der Einkreiser ist die günstigere Variante unter den Siebträgermaschinen. Um Milchschaum herzustellen, muss der Kessel für den benötigten Wasserdampf stärker aufheizen. Durch die Wartezeit gestaltet sich die Zubereitung von Kaffee mit Milchschaum etwas umständlich. Eine einkreisige Siebträgermaschine empfehle ich also nur, wenn hauptsächlich Espresso oder Ristretto gemacht werden soll.

Die zweikreisige Siebträgermaschine hat auch einen Kessel, der permanent auf optimale Temperatur für den Wasserdampf gebracht wird. Da das für die Espresso-Extraktion natürlich zu heiß ist, wird hierfür das kalte Wasser aus dem Frischwassertank gepumpt und über einen Wärmetauscher im Kessel auf optimale Brühtemperatur gebracht. Durch diese Technik können der Espresso sowie der Milchschaum gleichzeitig zubereitet werden.

Kaffeemühle, Wasserfilter und Co.: Zubehör zum Start

Welche Rolle spielt die Kaffeebohne in der Zubereitung der perfekten Tasse Kaffee?

Die Kaffeebohne und ihre Röstung sind eine Wissenschaft für sich, die aus vielen Variablen besteht. Die meistverwendeten Bohnenarten sind die Arabica und die Robusta: Während die Robusta koffeinhaltiger ist, einen vollen Körper besitzt und dem Kaffee eine schönere Crema beschert, werden der Arabica feinere Aromen zugeschrieben. Oftmals werden diese Sorten daher gemischt zu einer sogenannten „Blend“.

Eine hochwertige Kaffeebohne ist unverzichtbar für eine gute Tasse Kaffee. Dabei sollte der Kaffee aus fairem Anbau stammen, damit die Kaffeebauern auch am Geschäft mit dem guten Kaffee teilhaben. Das Fairtrade-Siegel hilft bei der Orientierung.

Als goldene Regel gilt: Die Kaffeebohne sollte erst kurz vor der Zubereitung gemahlen werden. Die Bohne besteht aus vielen flüchtigen Aromen, die nach dem Mahlvorgang schnell verloren gehen. Maßgeblich ist auch die Gleichmäßigkeit beim Mahlvorgang: nur, wenn die gemahlenen Kaffeepartikel identisch in der Größe sind, kann der Kaffee optimal extrahiert werden und sein gewünschtes Aroma entfalten. Es lohnt sich also, in eine gute Kaffeemühle zu investieren: Ich empfehle beispielsweise die „Mignon MCI“ von Eureka, ein hochwertiges Einsteigermodell.

Eine elektrische Kaffeemühle sollte parallel zur Siebträgermaschine mit angeschafft werden. (Foto: Adobe Stock / standret)
Eine elektrische Kaffeemühle sollte ergänzend zur Siebträgermaschine mit angeschafft werden. (Foto: Adobe Stock / standret)

Welche Ausrüstung benötigt man zum Start?

Neben der Kaffeemühle benötigt man einen sogenannten „Tamper“: Mithilfe des Tampers wird das Kaffeepulver im Siebträger fest gedrückt.

Außerdem ist eine Matte aus Gummi als Unterlage sinnvoll, um den Siebträger beim „Tampern“ abzustellen und die Küchenarbeitsplatte nicht zu verkratzen.

Bei hohem Kalkgehalt des Leitungswassers empfiehlt sich zudem, das Wasser vor der Kaffee-Zubereitung durch einen Filter laufen zu lassen. Die Kaffeequalität verändert sich durch weiches Wasser maßgeblich.

Zudem macht eine Feinwaage Sinn, um die Kaffeemenge abzumessen. 18 Gramm sind ideal für einen doppelten Espresso. Wenn diese zusätzlich über eine Stoppuhr verfügt, kann man während der Zubereitung gleich überprüfen, ob die gewünschte Menge Espresso in der richtigen Zeit durchgelaufen ist.

Zu guter Letzt gehören auch gute Tassen dazu: Je nach Kaffeespezialität sollte eine passende Tassengröße vorhanden sein, damit der Kaffee die richtige Trinktemperatur halten kann. Dickwandige Tassen speichern die Wärme am besten. Auch der ästhetische Aspekt darf nicht vernachlässigt werden: Aus einer schönen Tasse schmeckt der Kaffee gleich viel besser.

Barista-Empfehlung: zweikreisige Siebträgermaschine zum Einstieg

Welche Siebträgermaschine würden Sie als Einsteigermodell empfehlen? 

Für alle, die Espresso und Milchschaum gemeinsam zubereiten möchten, ist die zweikreisige Maschine „BZ10“ von Bezzera als Einsteigermodell zu empfehlen. Das Preis-Leistungsverhältnis ist vorbildlich und die Maschine leicht zu reinigen.

Barista-Empfehlung: zweikreisige Siebträgermaschine "BZ10" von Bezzera in Kombination mit der Kaffeemühle "Mignon" von Eureka. (Foto: Bezzera / Eureka)
Barista-Empfehlung: zweikreisige Siebträgermaschine „BZ10“ von Bezzera in Kombination mit der Kaffeemühle „Mignon“ von Eureka. (Foto: Bezzera / Eureka)

Für Fortgeschrittene ist eine Siebträgermaschine mit Dual-Boiler-System interessant: Diese Variante verfügt über zwei getrennte Kessel zur Zubereitung von Milchschaum und Espresso und bietet zudem meist eine Temperatursteuerung für den Kessel. Eine weitere Stellschraube, die man in der Zubereitung in der fortgeschrittenen Variante drehen kann.


Macht eine Siebträgermaschine auch für Laien Sinn? Welche Möglichkeiten gibt es, sich zum Barista ausbilden zu lassen?

„Barista“ ist kein geschützter Titel mit offiziellem Zertifikat. Viele private Kaffeeröstereien bieten Tageskurse für verschiedene Niveaustufen an: Neben der Vermittlung von Theorie z.B. zur Herkunft der Bohnen kann man sich unter Anleitung durch erfahrene Baristas an der Siebträgermaschine ausprobieren und erhält eine anschauliche Einführung. Auch spezielle Kaffee-Schulen bieten Lehrgänge durch Koryphäen aus der Barista-Welt an. Zudem gibt es viele sehr anschauliche YouTube-Videos, die die Basics vermitteln.

Ein richtig guter Barista wird man aber nur mit viel Übung: Nirgendwo sonst habe ich mehr Wahrheit in der Volksweisheit „Übung macht den Meister“ gefunden. Wer Freude am handwerklichen Experimentieren hat, sich für das Thema begeistert und sich nicht von Rückschlägen entmutigen lässt, hat sicherlich auch ohne Barista-Ausbildung große Freude an einer Siebträgermaschine. Besonders spannend finde ich dabei, dass die Wissenschaft über den perfekten Kaffee noch nicht komplett erforscht ist: Jeder muss seine eigene Wahrheit darüber finden, wie sie sein soll: die perfekte Tasse Kaffee.

Julia Dau
Julia Dau
Das Gefühl grenzenloser Freiheit beim Entdecken einer dampfenden Köstlichkeit in den Garküchen Asiens, wohlige Aufregung beim Anschneiden eines perfekt gegarten Steaks, und manchmal auch Pioniergeist, wenn der Kern des Lava Cake zum ersten Mal weich und unverschämt herrlich duftend über den Teller fließt: Kochen und Essen ist für unsere Redakteurin Abenteuer, Experiment und pure Harmonie. Als studierte Informationsdesignerin mit Leidenschaft für Ästhetik, Innenarchitektur und gutes Essen fasziniert sie besonders, wie alle Sinne in der Küche – und auch ein bisschen in unserem Magazin – verschmelzen.

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